16.07.2014

Haftgründe

Eine der häufigsten Fragen in unserer Betreuungsarbeit in der JVA Büren ist: „Warum bin ich überhaupt im Gefängnis, obwohl ich keinerlei Straftat begangen habe?“ Wir haben darauf auch keine Antwort, außer dass die Politiker und Bundestagsabgeordneten in Deutschland dies im Aufenthaltsgesetz so vorgesehen haben.

Die Liste von möglichen Gründen für Abschiebehaft ist lang (AufenthG § 62 Abs. 3 Satz 1):

     Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

  1. der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist,

     1a. eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann,

  1. die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
  2. er aus von ihm zu vertretenden Gründen zu einem für die Abschiebung angekündigten Termin nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde,
  3. er sich in sonstiger Weise der Abschiebung entzogen hat oder
  4. der begründete Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

Besonders Punkt 5 ist eine sehr dehnbare Formulierung – als „begründeten Verdacht“ kann man alles Mögliche anführen. Zum Beispiel haben wir wiederholt Formulierungen in den Anträgen auf Abschiebehaft gesehen, dass die Aussage des Ausländers „ich will nicht in mein Land zurück“ schon als ein solcher Grund herangezogen wurde. Eine solche Argumentation hat allerdings vor den oberen Gerichten (Landgericht, Bundesgerichtshof) keine Chance: Allein die Aussage nicht in das Herkunftsland zurück zu wollen, ist kein ausreichend „begründeter Verdacht“, dass ein Ausländer / eine Ausländerin sich der Abschiebung entziehen will.

Dieses Beispiel macht aber auch schon viele Probleme deutlich: Wenn ein Ausländer /.eine Ausländerin bei der Anhörung vor dem Amtsgericht keinen Anwalt / keine Anwältin hat, kann er / sie sich oft nicht wirksam verteidigen. Und nicht alle Amtsgerichte sind mit der Rechtsprechung in diesem eher selten vorkommenden Rechtsgebiet vertraut.

Eine umfangreiche juristische Übersicht zur Rechtsprechung bot der Internet-Kommentar zur Abschiebehaft von Melchior der jetzt unter http://www.migrationsrecht.net mit verfügbar ist.

Ein anderer kritischer Punkt ist, dass die Formulierung von § 62 Abs. 3 Satz 1 mit „...ist ... in Haft zu nehmen...“ beginnt. Damit haben die Gesetzgeber versucht, den Ausländerbehörden keinen Spielraum zu lassen, sondern sie geradezu verpflichtet, alle Kandidaten für Abschiebehaft hinter Gitter zu bringen. Im Zusammenhang mit dem ausufernden Katalog von möglichen Haftgründen wird hier die politische Absicht aus den 90er Jahren deutlich, möglichst viele Ausländer / Ausländerinnen in Abschiebehaft zu bringen, um die Anzahl der Abschiebungen zu erhöhen.

Der erste Punkt der Abschiebehaftgründe aus § 62 Abs. 3 Satz 1, „aufgrund einer unerlaubter Einreise vollziehbar ausreisepflichtig“, bedeutet, dass alle illegal eingereisten Ausländer / Ausländerinnen eingesperrt werden können. Dies passiert auch tatsächlich sehr oft nach Kontrollen in der Nähe der Grenzen. Es heißt weiter: „Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nr. 1 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will.“ Beispielsweise, wenn ein Ausländer / eine Ausländerin Verwandte besuchen wollte oder die Einreise nur wegen eines abgelaufenen Ausweises unerlaubt war, kann man durchaus annehmen, dass er / sie nicht untertauchen wollte.

Problematisch ist es, dass sehr viele Ausländer / Ausländerinnen ohne Anbindung wegen des ersten Punktes der Abschiebehaftgründe inhaftiert werden, auch wenn sie eigentlich zum Zweck eingereist sind einen Asylantrag zu stellen.

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