Bericht des Vorstandes des Vereins Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V. für die Zeit vom 26.4.2007 bis 15.5.2008

Zu Beginn der Sitzung wollen wir uns alle von den Plätzen erheben, zum Gedenken an unsere Mitstreiterin, Inge Leggewie, die durch einen tragischen Unfall im vergangenen Jahr ums Leben gekommen ist.

Die letzte Jahreshauptversammlung mit Vorstandswahlen war am 26. April 2007. Es liegt ein turbulentes Jahr hinter uns. Wir möchten exemplarisch einige Punkte in Erinnerung rufen. Wollten wir alle Ereignisse aufzählen, würde das den Rahmen eines solchen Berichtes sprengen.

Wir beginnen unseren Bericht im April 2007. Für eines unsere Vorstandsmitglieder waren das sehr aufregende und gefährliche Zeiten. Er wurde massiv durch Neonazis bedroht mit teilweise sehr einschneidenden Konsequenzen für ihn persönlich. Noch im Januar 2008 haben sie ihm sein Auto demoliert. Wir alle raten dringend, weiter wachsam zu sein und versichern ihm gleichzeitig unsere Unterstützung.

Am 25. Mai 2007 machte die Karawane mit ca. 65 Teilnehmerinnen und Teilnehmern vor dem Knast Halt und versuchte so, ihre Solidarität mit den Häftlingen zum Ausdruck zu bringen. An der Aktion haben auch Vereinsmitglieder teilgenommen.

Am 16. Juni 2007 haben wir an dem Tag der Begegnung, der von der Caritas in der Paderhalle organisiert wurde, teilgenommen und unsere Vereinsziele präsentiert.

Da ab 1. Juli 2007 in der JVA Büren auch Straftäter inhaftiert werden, sollen sich unsere Besuchszeiten ausschließlich auf den Donnerstag beschränken. Das würde bedeuten, dass einige von uns keine Betreuungen mehr übernehmen könnten. Das akzeptieren wir nicht und führen deshalb Gespräche mit der JVA-Leitung. Unsere Argumente sind offenbar so überzeugend, dass wir zwar schwerpunktmäßig an den Donnerstagnachmittagen betreuen sollen, uns bleiben aber auch andere Optionen offen.

Am 12. Juli 2007, kurz vor dem 18. Geburtstag eines von uns betreuten ehemaligen Abschiebehäftlings, mussten wie erfahren, dass er nicht mehr in Deutschland bleiben möchte, sondern nach Nigeria zurück will. Insbesondere F. hat mit ihm viele Gespräche geführt, aber er war nicht mehr umzustimmen. Am 25. Oktober 2007 ist im Protokoll der Vereinssitzung zu lesen, dass er in Nigeria angekommen ist. Wir wünschen ihm von Herzen, dass sich seine Erwartungen erfüllen und dass er ein selbst bestimmtes und ausgefülltes Leben führen kann.

Am 21. Juli 2007 gab es eine eindrucksvolle Aktion der Gruppe Pilgerpfad in Büren auf dem Marktplatz und vor dem Knast. Die Bürener Mitglieder des Vereins haben an den öffentlichen Aktionen teilgenommen. In der Gruppe Pilgerpfad haben sich Menschen zusammen gefunden, die auf ihrem Pilgerweg Orte erwandern, die sich gegen Mensch und Natur richten. Sie machen ihre Ziele im Rahmen von Theater-, Tanz- und Musikvorträgen deutlich.

Am 23. August 2007 hat unser letztes Gespräch mit dem Anstaltsleiter, Herrn Strohmeyer, stattgefunden. Es ging um die Umstrukturierungen im Knast durch die Neuaufnahme der Strafhäftlinge (Kurzstrafen, damals 40 Personen), um den Stellenabbau bei EHC und um sonstige Organisationsfragen.

Am 1. September 2007 haben wir in Aachen als Gäste an der Feier zur Verleihung des Aachener Friedenspreises 2007 teilgenommen. Am 2. September 2007 waren wir dann alle wieder bereit, um in Büren gegen Abschiebehaft zu demonstrieren. Die Demonstration wies auf die Verknüpfung von Kriegen/Kriegseinsätzen und Fluchtursachen hin. An der Demo nahm eine Clown-Gruppe teil, die die Polizei mächtig irritierte. In der JVA traten Häftlinge in den Hungerstreik. Ihr Streik wurde von einigen Gruppen von außen auch über den Demonstrationstag hinaus begleitet.

Vom 12.-13. Oktober 2007 fand ein Seminar im Liborianum statt, um insbesondere neue Betreuerinnen/Betreuer anzusprechen.

Am 22. Oktober 2007 wurde ein Gespräch mit den Landtagsabgeordneten der Grünen Sigrid Beer und Monika Düker geführt.

Am 14. November 2007 haben wir Inge Leggewie in Brilon beerdigt. Wir waren alle sehr betroffen. Das spürte man bis in die nächsten Vereinssitzungen hinein. Wir haben Inges Platz mit Kerzen und einem Bild symbolisiert. Unter dem emotionalen Eindruck haben wir in der Vereinssitzung über das Thema „Glaubst Du an ein Leben nach dem Tod?“ diskutiert. Die Diskussion war so interessant wie kontrovers.

Obwohl wir nicht direkt beteiligt waren, haben wir mit großem Interesse das Kulturprojekt Rabatz in Paderborn begleitet, wo junge Menschen leer stehende ungenutzte Räume in Bahnhofsnähe besetzt hatten, um ein offenes Kulturzentrum einrichten zu können. Trotz vieler Sympathisanten aus den unterschiedlichsten Lagern wurde das Vorhaben im November durch eine Zwangsräumung beendet.

Vom 11. bis 13. Januar 2008 hatten wir unser traditionelles Wochenendseminar im Liborianum. Neben vielen rechtlichen Fragen setzten wir uns auch mit den Auswirkungen von Traumatisierungen auseinander und der Frage, wie wir als Laien Menschen unterstützen können, die traumatische Dinge erlebt haben und im Knast noch immer erleben.

Am 24. Februar 2008 fand eine öffentliche Podiumsdiskussion in der Kulturwerkstatt zum Thema Abschiebehaft statt, die u.a. von unserm Verein vorbereitet wurde und viel Beachtung fand. Im Podium saßen Vertreter aus Politik, Ministerien und Menschenrechtsorganisationen.

Am 8. März 2008 fand ein Einsteigerseminar für unsere neuen Betreuerinnen und Betreuer statt.

Vom 4. bis 6. April 2008 trafen sich im Liborianum Abschiebehaftgruppen und Abschiebehaftgegner/-gegnerinnen zum Fachtagung gegen Abschiebehaft, dem bundesweiten Vernetzungstreffen. Auch hier wurden wieder viele Rechtsfragen debattiert. Ein Diskussionsblock beschäftigte sich mit dem Vorhaben, bundesweit einen Tag ohne Abschiebungen zu organisieren. Es sollen auch Aktionen in und um Büren herum stattfinden. Voraussichtlich wird das nächste Vernetzungstreffen 2009 in Berlin stattfinden.

Im Mai 2008 filmten Studierende der Uni Paderborn aus dem Bereich der Medienwissenschaften im Knast. Wir sind sehr gespannt auf das Produkt.

Bei einer Diskussion in Bielefeld wurde deutlich, dass auf Druck des Bundes-Innenministeriums jetzt Ernst damit gemacht wird, alle Anerkennungsentscheidungen, die länger als drei Jahre zurückliegen, vom Bundesamt zu überprüfen. Das besondere Augenmerk soll den anerkannten Flüchtlingen aus der Türkei gelten, die hier in Deutschland immer noch die größte Gruppe derer bilden, die ein Bleiberecht erlangt haben. In diesem Zusammenhang berichteten Vertreter des Bundesamtes Bielefeld, dass, sofern sie erneut zu einem für die Flüchtlinge positiven Votum in dem Widerspruchsverfahren gelangen sollten, die endgültige Entscheidung dann das Bundesamt in Nürnberg trifft. Den Ausgang kann man sich sehr gut ausmalen. Wir können uns auch vorstellen, was speziell hinter der Türkei-Aktion steckt: In einem vereinten Europa kann es nicht sein, dass ein Mitgliedsland der Folter und Verfolgung bezichtigt wird, egal was es für die betroffenen Asylsuchenden bedeutet.

Der Mai-Bericht endet traurig: Wir haben erfahren, dass sich am 15.4.2008 eine 24-jährige Asylsuchende aus Guinea, die seit ca. 3 Jahren in Hövelhof wohnte, aus Angst vor ihrer Abschiebung das Leben genommen hat.

Soweit die kurze Rückschau.

Wir wollen bei unserem Rückblick auch auf die erfreulichen Entwicklungen hinweisen. Mit fünf jungen Menschen aus Herford, Bielefeld und Paderborn haben wir neue Mitstreiterinnen und Mitstreiter gefunden, die zum einen regelmäßige Besuche im Knast machen, zum anderen aber auch durch ihre Ideen viele neue Denkanstöße geben und unsere Diskussionen beleben.

Aus der regelmäßigen Betreuungsarbeit ausgeschieden sind zwei Mitglieder, die wegen anderer Aufgaben nicht mehr so viel Zeit haben.

Zusammenfassend möchten wir noch kurz auflisten, was sich wie ein roter Faden durch die Versammlungsprotokolle zieht:

  • Protest gegen große medizinische Probleme der Häftlinge;
  • Beschwerden über die mangelhafte Qualität des Essens;
  • Beschreibung vieler persönlicher Probleme, weil z.B. Familien auseinander gerissen werden;
  • Hungerstreiks;
  • viele problematische so genannte Schengen-Fälle, wo europäische Länder um ihre Zuständigkeiten streiten, auf dem Rücken der Abschiebehäftlinge;
  • Resignation, was die Wirksamkeit der viel gepriesenen Altfallregelung anbelangt;
  • Protest gegen die neuerliche Verschärfung der Abschiebhaftregelungen, weil die Beschwerdeinstanz OLG abgeschafft werden soll. Die Möglichkeit, jederzeit einen Haftaufhebungsantrag stellen zu können, soll es nicht mehr geben. Die Rechte der Personen des Vertrauens werden eingeschränkt und Mitarbeiter der Ausländerbehörden können, zunächst ohne richterlichen Beschluss, Festnahmen anordnen.

Einen sehr großen Teil der Öffentlichkeitsarbeit hat auch in diesem Jahr wieder F. übernommen. Er hat unzählige Vorträge gehalten, Diskussionsrunden initiiert, PolitikerInnen angesprochen etc. Durch diese Aktionen werden und bleiben wir in der Öffentlichkeit sichtbar. Für dieses Engagement danken wir ihm. Aber auch die Bereitschaft insbesondere der Bürener Mitglieder, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, hilft, die Probleme der Abschiebehäftlinge bekannt zu machen.

In diesem Zusammenhang und an dieser Stelle auch Dank an die Gruppe, die den Internetauftritt des Vereins überarbeitet und aktualisiert.

Zum Schluss ein Fazit: Es verbessert sich leider nichts, im Gegenteil, viele Dinge verschärfen sich. Aber die Stimmung unter uns Aktiven ist deshalb nicht gedrückt, sondern kämpferisch, und das ist gut so. Wir wissen, dass wir in der Beurteilung der Abschiebehaft auf der richtigen Seite stehen. Wir sind eine starke Gruppe, deren Mitglieder sich stützen und respektieren. Deshalb wollen und können wir auch weiterhin für unser Vereinsziel, die Abschaffung der Abschiebehaft, kämpfen.