24.09.1995

System ist „nichts, dessen wir uns rühmen könnten“

JVA-Leiter Peter Möller: Arbeit für Inhaftierte

Büren (hepo). „Bringen Sie alle ungeliebten Arbeiten zu mir!“ Mit dieser Aufforderung wandte sich Peter Möller, Leiter der Abschiebehaftanstalt in Büren, an alle ortsansässigen Unternehmer. Im Rahmen der jüngsten Hauptversammlung der CDU-Ortsunion berichtete Möller über die Situation der zur Zeit etwa 200 Insassen in Deutschlands größter Abschiebehaftanstalt. „Die Menschen müssen beschäftigt werden“, formulierte Möller sein großes soziales Anliegen, den Inhaftierten nach Möglichkeit Arbeit und damit auch die Chance zum Gelderwerb zu verschaffen.

Alles, was in Heimarbeit erledigt werden könne, sei auch für seine Häftlinge geeignet. Zwei Drittel der Gefangenen haben nach Möllers Aussage keinerlei Geld: „Manche kommen direkt von der Baustelle zu uns, haben noch den Speis in den Augenwinkeln.“ Das reguläre Taschengeld beläuft sich auf 1,50 Mark pro Tag, zu wenig für eine Packung Tabak, die in der Anstalt etwa vier Mark kostet. Wer arbeitet, kommt auf bis zu zehn Mark Verdienst pro Tag. Arbeit aber ist knapp.

Einen ersten Erfolg werden die Bürener Haushalte vielleicht schon mit der nächsten Ausgabe des Stadtspiegels in Händen halten. Spontan schlug Albert Althaus vor, das zeitaufwendige Einlegen der Werbebeilagen künftig von den JVA-Insassen erledigen zu lassen.

Mehrfach betonte Peter Möller, dass die Mehrheit seiner Häftlinge freundliche und nette Leute sind. „Die ganz überwiegende Anzahl der Einsitzenden haben sich nach meiner Erkenntnis keine Straftat zuschulden kommen lassen.“ Unruhen, sogar die wiederholten Brandstiftungen in der Anstalt, seien keineswegs organisiert gewesen. Unterschiedliche Temperamentslagen der meist jungen Männer führte Möller am Beispiel der Inder und Nordafrikaner an. Geduldig die ein, neigten die anderen naturgemäß eher zu Temperamentsausbrüchen.

Natürlich gebe es unter den Gefangenen auch Kriminelle, zum Teil gehörten sie auch zur organisierten Kriminalität: „Nicht jeder, der bei mir ist, ist an Leib und Seele bedroht.“ Es sei leider nicht zu verhindern, dass die ihren Mitgefangenen erklärten, wie man gezielt Unruhen stiftet.

Gerade bei den Nordafrikanern kommt es oft zu einer längeren Verweildauer. Aus den durchschnittlich 60 Tagen würden dann auch schon einmal 120 Tage. Die Ursache liege in der oft ungeklärten Herkunft der Betroffenen, die zum Teil beim besten Willen selbst nicht genau wissen, in welchem Staat sie geboren wurden. Vor Klärung dieser Frage könnten die zuständigen Ausländerbehörden keine Ausreisepapiere ausstellen. Ohne diese wiederum verweigerten gerade nordafrikanische Staaten aber die Aufnahme der in Stöckerbusch und anderenorts einsitzenden und auf ihre rechtskräftig verfügte Abschiebung wartenden Menschen.

Auch auf das scheinbar nebensächliche Problem fehlender Taschen und Koffer für die Abschiebehäftlinge ging Möller ein. Man könne den Abgeschobenen damit helfen, bei der Rückkehr in die Heimat das Gesicht zu wahren. „Sie kehren dann scheinbar von einer erfolgreichen Auslandsreise zurück, nichts als unerwünschte Personen“, wies der Anstaltsleiter auf den psychologischen Aspekt hin.

„Es ist nichts, dessen wir uns rühmen könnten“, räumte Möller mit Blick auf das System der Abschiebehaft ein. Andererseits habe er einen vom Justizminister gestellten Auftrag zu erfüllen. Die Innenminister mit ihren Behörden entschieden im Einzelfall über die Notwendigkeit der Inhaftierung. Er habe durchaus Verständnis für diejenigen, die der Haft mit Kritik gegenüberstehen. Zu befürchten sei jedoch, dass sich die Situation ohne die Abschiebung weiter und gefährlich zuspitze. Augenmaß sei auf beiden Seiten nötig, um rechtsgerichteten Scharfmachern den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Dank sprach Möller für die Hilfsorganisation für die Gefangenen durch private Vereinigungen, aber auch seitens der Stadt Büren aus. Als Beispiel nannte Möller die rasche und unbürokratische Zahlung von Taschengeld durch das Sozialamt. Ehrenamtliche Besucher sind in der Haftanstalt stets willkommen. Ob sich jemand um einen einzelnen Gefangenen oder eine Gruppe kümmert, mit ihnen Schach spielt oder Lieder singt, ist egal. Peter Möller: „Wer den Gefangenen hilft, hilft auch mir!“

JVA-Leiter Peter Möller warb um Arbeit für Inhaftierte.