17.05.1994

Schuld liegt beim Minister

Leserbriefe

Über die Situation in der Abschiebehaftanstalt Büren äußert sich dieser Leser kritisch:

Zunächst möchte ich anerkennend hervorheben, dass sich der Oberkreisdirektor mit einem Protestschreiben an den Justizminister in Nordrhein-Westfalen gewandt hat, indem er die verheerenden Haftbedingungen in der Abschiebehaftanstalt Büren mit Nachdruck beanstandet hat. Das Antwortschreiben des Innenministeriums, über das im Westfälischen Volksbank berichtet wurde, kann nicht unwidersprochen hingenommen werden.

Die Behauptung, dass die durchschnittliche „Verweildauer“ (gemeint ist die Inhaftierung) bei 34 Tagen liegt, verfälscht die Fakten, da eine große Anzahl der Asylbewerber bereits in anderen Haftanstalten inhaftiert waren und zum Teil, wie aus der Presse zu entnehmen ist, sechs Monate, zwölf Monate ja sogar 18 Monate Haft hinnehmen müssen, da sich ihre Heimatländer weigern, sie zurückkehren zu lassen oder die notwendigen Einreisepapiere nur sehr schleppend bearbeiten.

Der Protest der Inhaftierten richtet sich nicht gegen das dort tätige Wachpersonal, sondern gegen die Haftbedingungen. Aufgrund eines völlig falschen Konzepts wurde von Anfang an weder die soziale Betreuung durch Fachkräfte und Seelsorge noch eine ausreichende Möglichkeit der Freizeitgestaltung geplant. Gravierend ist auch die völlig unzureichende Möglichkeit der Inhaftierten, mit ihren Familienangehörigen oder Rechtsanwälten Kontakt aufzunehmen. Ebenso ist die Sicherstellung der Habe nicht garantiert, da sich weder die Ausländerbehörden oder andere Ämter noch die Haftanstalt dafür zuständig erklären. Ehrenamtliche Betreuer müssen immer wieder feststellen, dass bei vielen Häftlingen die abgelaufenen Asylverfahren erhebliche Mängel aufweisen und viele Asylbewerber aufgrund der mangelnden Sprachkenntnisse und unzureichender juristischer Beratung ihre Rechte im Verfahren nicht wahrnehmen konnten oder Widerspruchsfristen nicht einhalten konnten. So ist ein Teil der Häftlinge überhaupt nicht oder nur unzureichend über ihre Situation informiert und wissen nicht, warum sie inhaftiert wurden, wie lange sie in Haft bleiben müssen und was sie erwartet. Wenn es zu Protesten der Inhaftierten kommt, so liegt meines Erachtens die Schuld eindeutig beim Innenministerium und Justizministerium, die trotz ihrer Kenntnisse über vorauszusehende längere Haftzeiten den Ablauf von Asylverfahren und die Situation der Inhaftierten bewusst Haftbedingungen geschaffen haben, die gegen die Menschenwürde verstoßen und eines Rechtsstaates unwürdig sind. Eine Anzahl von Inhaftierten leidet bereits unter erheblichen psychischen Schädigungen und werden lediglich durch Verabreichung von Psychopharmaka ruhiggestellt. Man muss sich vorstellen, welchen seelischen, unerträglichen Belastungen diese Menschen ausgesetzt sind, die in ihren Ängsten und Nöten sich kaum verständigen können, fast keinen Kontakt nach draußen und mit ihren Familien haben, über Monate Tag und Nacht in der Regel mit fünf weiteren Inhaftierten in einem Raum eingeschlossen sind und nur pro Tag eine Stunde in einem umzäunten, kahlen Innenhof umhergehen können. Der Fernseher pro Zelle, dessen Bild mit einer Welt im Überfluss konfrontiert, löst dann nur eher Aggression gegen eine Gesellschaft aus, die sie wie Schwerverbrecher behandelt. Die kleine Zahl von ehrenamtlichen Besuchern, die von der Anstaltsleitung in ihren Bemühungen unterstützt wird, kann nur in sehr geringem Umfang zur Verringerung der Nöte der dort Inhaftierten beitragen. Wer mithelfen möchte, sollte sich beim Besucherkreis „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren“ melden.               Telefon: 029516616

Michael Landschütz, Peter Hille Weg 38, Paderborn