18.05.1995

„Labyrinth Fluchtweg“: Beklemmende Erfahrung

Multimediale Ausstellung machte Station in Büren

Von Heinz-Peter Manuel

Büren (WV). Das Klima in der Republik wird rauer. Wer anderen Menschen, noch dazu mit anderer Hautfarbe, hilft, muss nur 50 Jahre nach dem unseligen Krieg und dem Ende der menschenverachtenden Nazi-Diktatur schon wieder Angst haben. Auch in Büren. Es gibt schon wieder (zu) viele Einwohner, die offen und leider oft unwidersprochen zu Gewalt gegen Ausländer aufrufen. Der Zorn richtet sich dabei nicht nur gegen Asylbewerber und die Häftlinge der Abschiebehaftanstalt, sondern verstärkt auch gegen Mitglieder des Vereins „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft“. Das musste ein Vorstandsmitglied jetzt hautnah erfahren: „Wir fackeln Dein Haus ab“, so die unverhohlene Bedrohung. Auch Demonstranten gegen die Abschiebehaftanstalt soll es an den Kragen gehen. Die Nachricht von der Verpflichtung bezahlter Schlägertrupps für die nächste Demo macht immer häufiger die Runde durch Bürens Kneipen. Um diesem Trend entgegenzuwirken, hat die KLJB mit Unterstützung weiterer Organisationen eine sehenswerte Ausstellung nach Büren geholt: „Labyrinth Fluchtweg“, eine multimediale Ausstellung in einem großen Laster, macht in der oberen Detmarstraße Station. Vor allem Schüler und Jugendliche nutzten die Chance, für kurze Zeit in die Rolle eines Flüchtlings zu schlüpfen.

 

Nur 20 Minuten dauert der Rundgang durch den Turck, und nur wenige Zentimeter ist der Beobachter von seiner „normalen Umgebung getrennt. Trotzdem wird es einem schnell mulmig. Aus dem Kopfhörer des Walkmans dringen immer wieder barsche Befehle: „Weiter, Gepäck mitnehmen, hinsetzen, Pass her!“ Unterstützt wird die unsichere Situation durch beklemmende Enge, durch Dunkelheit, durch Ungewissheit. Was erwartet mich an der nächsten Station, schießt es mir mehrfach durch den Kopf. Und: was wäre, wenn das plötzlich echt wäre?

Das geht anscheinend auch vielen anderen Besuchern so: Vor dem Rundgang ulken die Schüler noch lauthals herum, machen ihre üblichen Späße. Beim Ausgang, den sie nicht in der Gruppe, sondern allein oder zu zweit erreichen, machen die meisten doch sehr nachdenkliche Gesichter.

Und genau das ist gewollt: „Die Flüchtlingsproblematik“ geht auch am ländlichen Raum nicht mehr spurlos vorbei. Wohncontainer, Asylantenwohnheime und die Abschiebehaftanstalt konfrontieren uns täglich mit dem Problem“, so Guido Kemper, Vorsitzender des KLJB-Dekanates Alme-Lippe, zu Beginn der Ausstellung. Vorurteile und falsche Parolen führten letztlich auch zu Gewalt. Mit der Ausstellung die schon seit etwa zwei Jahren durch Deutschland zieht, wolle man einen Beitrag leisten, um sensibel zu machen für die Menschenwürde. „Dieser Tag soll wachrütteln, soll helfen, die Dinge zu verstehen“, ergänzte KLJB-Diözesanpräses Pfarrer Georg Austen. Die Abschiebehaft könne keine Lösung sein.

Dem stimmte auch Schirmherr Wolfgang Runge Stadtdirektor von Büren, zu. Große politische und wirtschaftliche Verwerfungen führen auch künftig zu starken Wanderungsbewegungen, vor allem in die westliche Welt, meint er. Viele Fluchtwege landeten hinter Gittern. „Es macht schon nachdenklich, dass Menschen für viele Monate eingesperrt werden, nur weil sie eigentlich nicht hier sein dürften“, prangert er die Realität des Abschiebens an. Darin sah er einen Verstoß gegen die Menschenwürde. Runge hoffte, die Ausstellung könne dazu beitragen, dass differenziertes Nachdenken einsetze.

„Labyrinth Fluchtweg“ heißt die Ausstellung, die auf Einladung der katholischen Landjugend gestern in Büren Station machte. Zur Eröffnung kamen unter anderem (v.l.) Pfarrer Peter Gede, Stadtdirektor Wolfgang Runge (Schirmherr), KLJB-Diözesanpräsenz Pfarrer Georg Austen, Dekanatsvorsitzender Guido Kemper, Irene Blumenthal vom Vorstand des Vereins „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren“ und der stellvertretende Landrat Bernhard Hollenbeck. Foto: H.-P. Manuel