06.09.1999

Synonym für Abschiebehaft

Betrifft: Berichte „19-jährige Afrikaner in Arrest-Zelle erstickt“ in der NW-Ausgabe am 31. August und „Dieser Mensch hätte nicht sterben müssen“ in der NW-Ausgabe vom 1. September.

„Büren - ein schönes Stück Natur“ und Synonym für Abschiebehaft?!

Vor zwei Jahren sind wir von Paderborn nach Büren gezogen, angezogen durch ein „ein schönes Stück Natur“, wie es auf dem Logo der Stadt heißt. Wir haben uns schnell zwischen liebenswerten Nachbarn und einer wundervollen Umgebung eingelebt und beheimatet.

Am Dienstag besuchen wir erstmals - durch einen Zeitungsartikel in der Neuen Westfälischen aufmerksam geworden - die Bürener Justizvollzugsanstalt (JVA). Hier werden Flüchtlinge, deren Antrag auf Asyl in unserem Land abgelehnt wurde, interniert, um sie von hier aus in ihre Heimatländer in eine ungewisse (oder allzu gewisse) Zukunft abzuschieben. Ist Flucht eigentlich ein Verbrechen? (Waren die deutschen Exilanten während der Nazidiktatur und der SED-Herrschaft etwa Verbrecher?)

Ein junger Mann – Raschid Sbaai - kam dort am vergangenen Montag in einer Isolierzelle ums Leben, nachdem er aus Protest gegen diese Sonderbehandlung seine Kleidung in Brand gesteckt hatte. Diese Verzweiflungstat kann den Besucher des furchterregenden Abschiebelagers im Brenkener Forst (hohe Betonmauern, Stacheldraht, Sicherungsanlage, Wachpersonal...) kaum verwundern. Die Verzweiflung angesichts der deprimierenden Lebensbedingungen der Internierung und der drohenden Abschiebung leuchtet ein.

Die Anlage gehört nicht gerade zu den schönsten Ausflugszielen im Bürener Land, aber dennoch gehört sie schon heute zu den Wahrzeichen Bürens, ist der Name unserer Stadt im öffentlichen Bewusstsein zum Synonym für Abschiebehaft geworden. Wir kennen das aus der deutschen Geschichte, wo ähnliche Kleinstädte in idyllischer Naturlandschaft durch Lageranstalten am Rande zu ähnlich zweifelhaftem Ruhm gelangt sind.

Wird Büren durch die Abschiebehaftanstalt im kollektiven Gedächtnis unserer Gesellschaft zum Symbol staatlich legitimer Inhumanität? Während sich unsere Kinder einmal schämen Bürener zu sein? Werden Sie uns einmal fragen, wie dieses Lager hier bestehen konnte? Werden sie Rechenschaft von uns verlangen. „Was habt ihr dagegen getan?“ Wir müssen uns auf solche Fragen gefasst machen!

Die meisten von uns verdrängen die Existenz dieses Abschiebelagers in unserer Gemeinde oder beurteilen es milde. Die Nachwelt wird in ihrem Urteil schärfer sein. Dem werden wir uns als führender Bürger stellen müssen, wobei wir im Informationszeitalter nicht wieder glaubhaft sagen können: „Wir haben davon nichts gewusst.     

Silke und Franz Schulte-Schulenberg, Lipperhol 30, 33142 Büren