09.07.1995

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……..kumente fehlen. Ich möchte noch gerne in Deutschland leben“, erzählt Nouman, der in der Haft einen Asylfolgeantrag gestellt hat. Den Anwalt dafür hat ihn der Verein „Hilfe für Menschen Abschiebehaft“ besorgt, der ehrenamtlich in Büren Gefangene betreut. Jetzt macht sich der junge Marokkaner wieder Hoffnung, dass er doch in Deutschland bleiben kann.

„Wir haben keine Rechte hier“, klagt Kalony Ngoy (29). Der Mann aus Zaire hatte in seiner Heimat an einer verbotenen Studentendemonstration teilgenommen und war von der Militärpolizei inhaftiert worden. Der Vorwurf der Behörden: „Gefährdung der Staatssicherheit“. Sein Vater ist seit dieser Zeit verschwunden. „Ich weiß nicht, ob er noch lebt“, sagt Ngoy in fließendem Deutsch. Im November 1991 kam er nach Deutschland, stellte einen Asylantrag und lebte in einer Asylunterkunft in Remscheid. Dann sollte er nach Eisenhüttenstadt verlegt werden. Das war gerade zu der Zeit, als im Osten Deutschlands sich die Anschläge auf Asylbewerberheime häuften. Kalonyi Nogoy: „Ich wollte die Gesetze achten, aber ich wollte auf keinen Fall in den Osten gehen.“ So tauchte der junge Mann in die Illegalität ab - nicht wissend, dass damit automatisch sein Asylverfahren eingestellt wurde. Jetzt versteht er die Welt nicht mehr, weiß nicht, warum er in Büren einsetzen soll: „Ich habe nie ein Verbrechen begangen.“ Vor allem hat er Angst vor seiner Abschiebung nach Zaire: „Die Geheimpolizei sitzt im Flughafen“, und er macht eine unmissverständliche Handbewegung, was ihn erwartet, wenn er wieder in Zaire ankommt. Jetzt lebt er mit vier Landsleuten und einem Liberianer in der kleinen ca. 10 Quadratmeter kleinen Zelle, in der neben den Etagenbetten gerade noch Platz für ein paar Stühle ist, der einzige Luxus: ein Fernseher, der per Kabelprogramm internationale Programme liefert. Persönliche Sachen: nicht vorhanden.

Jetzt hofft Ngoy auf die von seinem Anwalt eingereichte Petition, seine letzte Chance, wie er sagt. Sein Landsmann Serge Amini berichtet vom Verschwinden einer abgeschobenen Frau aus Aachen, die zwar mit dem Flugzeug in Zairee ankam, das Flughafengebäude aber nicht verlassen haben soll. Menschenschicksale.

Mehr als 50 Nationen leben in Büren - da sind Konflikte vorprogrammiert. Dass er auf einem Pulverfass sitzt, weiß auch Anstaltsleiter Möller. Deshalb schärft er seinen Mitarbeitern immer ein, den Gefangene möglichst freundlich zu begegnen. Trotzdem: Aggressionen der Gefangenen untereinander sind an der Tagesordnung. Werden Gefangene zu aggressiv, können Sie in einem besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände - wies im Amtsdeutsch heißt untergebracht werden. Der schlichte fensterlose Raum im Keller jedes Hafthauses hat keine Gummiwände, sondern nackten Beton. Bis auf eine Gummimatratze ist der Raum leer. Eine französische Toilette soll verhindern, dass Häftlinge den Raum unter Wasser setzen, zwei Kameras erfassen jeden Winkel, und zwei Türen ermöglichen jederzeit den Zugang.

Erstmals wird in Büren auch ziviles Wachpersonal eingesetzt, von dem der zuständigen Justizminister sagt, es sei nicht für hoheitliche Aufgaben zuständig. 50 Mitarbeiter hat die Firma Kötter in Büren im Einsatz. Mitarbeiter, die nicht speziell für diesen Dienst ausgebildet sind. „Ausbildung ist für mich gar nicht so wichtig. Für mich sind die Menschen wichtig, die wir hier am Objekt ausbilden“, sagt Möller, der zugibt, dass es beim zivilen Wachpersonal eine relativ „hohe Fluktuation“ gebe. Dafür sind die zivilen Aufpasser deutlich billiger als Justizvollzugsbeamte, von den 30 in Büren Dienst tun.

Beim Rundgang haben wir Gelegenheit, mit einem zivilen Wachmann ins Gespräch zu kommen. Natürlich sei das nicht ein Traumjob, und lieber heute als morgen möchte er was anderes machen: „Aber was soll‘s, ich war arbeitslos, und das konnte ich hier haben“, sagt der Mann, der Gefangene beim Hofgang im handballfeldgroßen Gitterkäfig zu beaufsichtigen hat.

Auch ihn befielen Zweifel, ob das alles so richtig ist, was wir hier mit den Menschen machen.

Diese Zweifel - um es vorsichtig zu formulieren - haben auch die Mitglieder des Bürener Vereins „Hilfe für Menschen Abschiebehaft“. Die ehrenamtliche Gruppe betreut Gefangene, versucht Rechtsberatung entweder selbst zu leisten oder zu vermitteln. Zwölf bis fünfzehn aktive Mitglieder setzen sich ein, versuchen ein Vakuum zu füllen, dass durch fehlende professionelle Sozialbetreuung entsteht. Die ist zwar vom zuständigen Minister Rolf Krumsiek seit langer Zeit zugesagt, doch es tut sich nichts. Bis auf den Sozialpädagogen Horst Goldscheck vom Paderborner Diözesan-Caritasverband, der sein Anerkennungsjahr in der Flüchtlingssozialarbeit leistet und in Büren Gefangene betreut, ist keine professionelle Sozialbetreuung vorhanden. Das bedauert Anstaltsleiter Möller. Minister Krumsiek hatte bereits im Juni vergangenen Jahres nach einem Gespräch mit dem Paderborner Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt und Diözesan-Caritas Direktor Volker Odenbach die Finanzierung professioneller Sozialarbeiter durch die Landesregierung zugesagt, aber bis heute ist hier noch nichts geschehen.

Dass diese notwendig ist, betonen alle: „Man gibt den Menschen oft noch nicht einmal die Möglichkeit, richtig angehört zu werden“, sagt Ilse Müller (60) vom Bürener Verein. Die Hausfrau, die auch ehrenamtlich für die Caritas tätig ist, erfährt sehr viel Unterstützung durch die Kirchen. Der Studiendirektor Bernhard Balster (46) erklärt, dass die Mitarbeiter des Vereins weder anwaltlich noch juristisch Gefangene beraten dürften: „Das ist eine Gratwanderung.“ Balster berichtet auch, dass Gefangene von einem rauen Klima in der Anstalt berichten: „Von großer familiärer Atmosphäre kann keine Rede sein.“ Dass es immer wieder Spannungen gibt, berichtet auch Caritas-Mitarbeiter Horst Goldscheck. Er findet es bedenklich, dass in der Anstalt nicht ständig ein Psychologe anwesend ist. Wie wichtig die soziale und die psychologische Betreuung wären, zeigen auch die Suizidversuche von Gefangenen. Peter Möller wertet viele davon als ein Auf-sich-aufmerksam-machen-Wollen in einer für den Gefangenen verzweifelten Situation. „Dass sich Gefangene selbst Verletzungen mit Rasierklingen beibringen, gehört ohnehin zur Tagesordnung. Ein „Restrisiko“, so der Anstaltsleiter, „bleibt immer.“ Um den Tagesablauf sinnvoller zu gestalten, wir Möller auch das Arbeitsangebot ausbauen. Bisher lassen drei Firmen in der Anstalt

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Die Häftlinge leben in verschlossenen Zellen. Gespräch und Unterstützung erhalten Gefangene auch durch Mitglieder eines Führender Vereins. Eine Gruppe von Chinesen montiert Kabel für ein deutsches Unternehmen