24.08.2023

Abschiebung: In Mauretanien droht Sidi der Tod

Sebastian Weiermann

Werner Kleine ist Pastoralreferent an der katholischen Citykirche in Wuppertal. Am Donnerstagvormittag sitzt er im Konferenzraum seiner Gemeinde. Es ist kein großer Raum, allerlei Nützliches steht im Weg. Ein Regal droht umzufallen, als ein Kamerateam es versehentlich retuschiert. Kleine hat zusammen mit Mitgliedern verschiedener antirassistischer Initiativen zur Pressekonferenz eingeladen. Was er selbst berichtet, fand zum Teil in diesem Raum statt.                                                                                                                               Im Juni 2022 tauchte Sidi bei der katholischen Kirche auf. Der junge Mann wollte sich taufen lassen. Taufen von Erwachsenen, Konversionen, Wiedereintritt - das sind die Aufgaben von Werner Kleine. Mit Sidi traf er sich alle zwei bis vier Wochen in genau jenem Raum. Kleine erzählt von den Treffen mit Sidi, es seien sehr gute Gespräche gewesen. „Sidi kam fast immer mit einer Frage zu mir. Daran merkte ich auch: Der hat sich gekümmert, der hat Erfahrung, der besucht offenkundig Gottesdienste.“ Zum Kölner Kardinal Woelki nahm Kleine Sidi mit, dort musste er vorstellig werden, der Kardinal musste zustimmen, dass Sidi vom Islam zum Christentum konvertieren darf. Woelki stimmte zu. Sidi sollte an Ostern getauft werden. Dazu kam es nicht mehr.                                                                                                                                Am 9. März wurde Sidi in der Wuppertaler Ausländerbehörde festgenommen. Der 26-jährige war 2018 mit einem Visum für Studierende nach Deutschland gekommen. Nachdem er bei einem Sprachtest gescheitert war, verfügte er nur noch über eine Duldung. Aus Angst vor einer Abschiebung schluckte er eine Büroklammer und kam in stationärer Behandlung. Diese Verzweiflungshandlung wurde anschließend zu Grundlage für die Inhaftierung im Abschiebungsgefängnis Büren gemacht.                                                                                                                                                Dort in Abschiebehaft stellte Sidi einen Asylantrag, wegen seiner Hinwendung zum Christentum. Doch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und das Verwaltungsgericht Minden sahen keinen Schutzbedarf. Sidis christliches Bekenntnis wurde vor Gericht angezweifelt. Dieses schätzte ein, dass dem Mann in Mauretanien keine Sanktion drohten.                                                                                                                          Eine folgenschwere Fehlentscheidung: Sidi meldete sich bei Kleine, teilte mit, dass er sich im Zentralgefängnis von Nauakchott befinde. In Abschiebehaft hatte er sich noch taufen lassen. In der islamischen Republik Mauretanien droht ihm deswegen die Todesstrafe. Diese wird zwar nicht vollstreckt, aber mit einer langen Haft muss Sidi rechnen.                                                       Sebastian Rose vom Abschiebungsreporting NRW kritisiert: „Wieder landet ein Mann direkt nach seiner Abschiebung aus Nordrhein-Westfalen im Gefängnis und wird staatlicherseits verfolgt.“ Die Behörden in Deutschland hätten es selten mit Asylsuchenden aus Mauretanien zu tun. Rose erzählt, dass das Verwaltungsgericht in Sidis Fall keine „Erkenntnismitteilliste“ gehabt habe, in solchen werde die Situation im Zielland gewöhnlich aus unterschiedlichen Quellen zusammengefasst. Sidis Richter entschied ohne solche Kenntnisse. Warum der junge Mann überhaupt in einem teuren Einzelcharter abgeschoben wurde, bleibt fraglich.                                                                                       Rose fordert, das Auswärtige Amt und die deutsche Botschaft müssten „tätig werden und sich für eine Freilassung des Mannes einsetzen“. Die Landesregierung müsse dafür sorgen, dass solche Abschiebungen zukünftig unterblieben. Die katholische Kirche und der SPD-Bundestagsabgeordnete Helge Lindh versuchen, in Mauretanien zu intervenieren. Sie hoffen so viel wie möglich für Sidi herauszuholen.

„Refugges Welcome!“ Gilt leider nicht für alle Menschen. Foto: picture alliance/dpa Gregory Bull