19.04.2023

Religion: Mauretanier wollte in Wuppertal Katholik werden - jetzt droht die Abschiebung

Wuppertal. Die Rückkehr in die Heimat könnte lebensbedrohlich für den Geflüchteten werden. Pastoralreferent Werner Kleine sieht die freie Religionsausübung eingeschränkt.

Von Waltraud Rass                                                                                                                          Redakteurin

In der Osternacht wollte ein 26-jähriger aus Mauretanien mit einer Taufe in die katholische Glaubensgemeinschaft eintreten. Traditionell müssen sie dazu vorher durch den Erzbischof zu dem Sakrament des Christwerdens zugelassen werden. Dies geschah am 25. Februar in der Kölner Basilika Sankt Gereon durch den Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki. Auch in diesem Jahr stammen viele Taufbewerber aus anderen Ländern, zum Beispiel aus Syrien, dem Iran, der Ukrainer und eben aus Mauretanien.

Kleine: „An der Ausübung seiner Religion gehindert“

Zur Taufe kam es nicht mehr. Weil der Afrikaner im Rahmen einer Studienvorbereitung zum Spracherwerb den ersten Abschluss nicht geschafft hat, wurde er kurz vor seiner Taufe im März in die Sicherungshaft nach Büren in Ostwestfalen Lippe gebracht, erklärt Werner Kleine von der katholischen Citykirche Wuppertal, der ihn als Taufpate und Katechet über ein Jahr bei den Taufvorbereitung begleitet hat. „Durch seine Inhaftierung und die drohende Abschiebung wird Herr S. an der Ausübung seiner Religion gehindert“, so die klare Meinung von Werner Kleine. Der junge Mann habe ihm gegenüber wörtlich geäußert: „Ich will als Christ leben.“

Info                                                                                                                                   Einrichtung

Die Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige ist eine Einrichtung für Abschiebungshaft mit 140 Haftplätzen in Büren. Ihre Aufgabe ist die Verwahrung und Betreuung von ausreisepflichtigen Ausländern zur Sicherung der Abschiebung. Sie liegt in einem Waldgebiet und acht Kilometer außerhalb der Stadt Büren.                                                                                                                  In der Büren Einrichtung wartet der Mauretanier nunmehr auf seine Abschiebung in sein Heimatland. Auf dem Bescheid vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) steht es geschrieben. Ein Eilantrag gegen den Bescheid, den S. mit Hilfe seiner Rechtsanwältin gestellt hatte, wurde am Freitag, 14. April, abgelehnt. Als letzte Hoffnung bleibt das Hauptverfahren vor dem Verwaltungsgericht.                                                                                                                                                                S. schildert seine Verhaftung folgendermaßen: „Ich freute mich wirklich darauf, meine Aufnahme in die Kirche und die Absolution von der Ursünde zu feiern, nachdem ich monatelang den Katechismus bei Herrn Kleine erhalten hatte, aber es konnte nicht geschehen, da ich am 9. März eine Einladung zum Ausländeramt erhielt. Als ich eintrat, wurde ich mit dem Gesicht zur Wand gestellt, meine Jacke und andere Gegenstände wurden mir abgenommen. Zwei Beamte der zentralen Ausländerbehörde kamen herein und geleiteten mich, damit ich mich im Büro hinsetzte. Man legte mir Papiere vor und teilte mir mit, dass ich gezwungen sei, das Land zu verlassen.“                                                                                                                         In dem derzeit laufenden Hauptverfahren wird unter anderem geprüft, wie ernst es S. tatsächlich mit der Konvertierung zum katholischen Glauben ist. Stefan von Borstel von der Pressestelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge legt die Gesetzeslage dar: „Oft erfolgt die Konversion erst während des Aufenthalts in Deutschland. Sie gilt dann als Nachfluchttatbestand. Das Bundesamt muss in diesen Fällen zusätzlich prüfen, ob dieses Verhalten `Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung` ist.“                                                                                                                                 „Ich bin seit vier Jahren und fünf Monaten in Deutschland“, erklärt S. auf telefonische Nachfrage der WZ. Falls er abgeschoben wird, stehe er allein da: „Ich habe keine nahen Verwandten in Mauretanien. Meine Familie, meine Mutter und mein Vater wohnen in Abu Dhabi“. Er habe keine weiteren Kontakte zu Familie oder Verwandten in seiner Heimat.                                                                               Die Rückkehr nach Mauretanien könnte lebensbedrohlich für ihn werden, denn Christen in dem islamisch geprägten Land seien nicht sicher. „Das ist ein sehr großes Desaster, dass ich nach Mauretanien gehen muss“, betont er.                                                                                                                                               Dies belegt ein Bericht von „Open Doors“, einem internationalen überkonfessionellen christlichen Hilfswerk über Christenverfolgung in Mauretanien: „Das soziale Umfeld übt extremen Druck auf Mauretanier aus, die nicht dem sunnitischen Islam folgen. Dieser Druck kann in Form von Ächtung, sozialer Diskriminierung, wirtschaftlicher Ausgrenzung oder sogar Gewalt erfolgen“, weiß Geschäftsführerin Bärbel Hoffmann von der Diakonie Wuppertal.                                                                                                                     „Alle behördlichen Wege sind ausgeschöpft“, sagt Suna Lenz, Leiterin des Ressorts Zuwanderung und Integration der Stadt Wuppertal. Es könne jedoch noch ein Antrag an den Petitionsausschuss gestellt werden, schlägt sie vor.                                                                                                                                                                                                                               „Angesichts der Sicherungshaft und eines richterlich abgelehnten Eilantrags ist der Weg der Petition aktuell die einzige realistische Chance und verbliebene Hoffnung“, sagt auch der Bundestagsabgeordnete Helge Lindh (SPD). „Dies bedeutet den Versuch, über eine Petition beim Petitionsausschuss des Landtages unter dem Vorsitz von Serdar Yüksel ein Votum gegen die drohende Rückführung zu erwirken. Diese Petition leiten wir aktuell gerade in die Wege und hoffen, dass die Intervention noch rechtzeitig erfolgen kann“.                                                                                                                                In einem anderen Fall im Jahr 2022 konnte der Petitionsausschuss einem Geflüchteten helfen. Die Abschiebung von Ebrima M. (24) aus Gambia wurde ausgesetzt. Der Fall wurde damals objektiv neu geprüft. Ebrima M., der als Minderjähriger nach Deutschland kam, „lebt noch heute in Wuppertal und geht einer Arbeit nach“, so Bärbel Hoffmann, unter deren Vormundschaft der junge Mann damals stand.

Zahlen über Rückführungen von Menschen in ihrer Heimat

„2022 wurden seit dem 1. Januar 21 Rückführungen durchgeführt, davon 17 unmittelbar aus der Haft heraus“, sagt Suna Lenz. 2021 waren es 63 Personen. 2020 waren es 23 Menschen, die zwangsweise in ihre Heimatländer zurückgeführt wurden. Noch aktuellere Zahlen kann Stefan Kühn, Sozialdezernent der Stadt Wuppertal vorlegen: Im letzten halben Jahr gab es zwölf Abschiebungen aus Wuppertal. Davon neun aus der Justizvollzugsanstalt.

Hier wird S. von Kardinal Woelki (rechts) zur Taufe zugelassen. In der Mitte sein Taufpate und Taufbegleiter Werner Kleine. Foto: Bernhard Raspe