12.01.2023

Abschiebung um jeden Preis: Gericht ist unnachgiebig

Abdullohi Shamsiddin soll unter Zwang nach Tadschikistan abgeschoben werden, auch wenn ihm dort Folter droht und er Frau und Kinder nicht mehr wiedersehen dürfte

Aus Bochum                                                                                                                        Andreas Wyputta

Wer Abdullohi Shamsiddin im Abschiebegefängnis im nordrhein-westfälischen Büren anruft, redet mit einem verzweifelten Mann. „Ich habe riesige Angst, nach Tadschikistan abgeschoben zu werden“, sagt der 32-jährige. „Ich habe Angst, dass ich dort im Gefängnis gefoltert werde. Am meisten Angst aber habe ich das ich meine Frau und meine beiden Kinder nie mehr wiedersehe“, sagt Shamsiddin - und kann dann seine Tränen nicht mehr unterdrücken.                                                                                                                     Begründet scheint die Angst des Mannes mit tadschikischer Staatsangehörigkeit, der seit 2009 in Deutschland lebt, in jedem Fall: Die Führung der seit 2015 verbotenen, ehemals größten Oppositionsbewegung IRPT bestätigt, dass Shamsiddin Parteimitglied ist. Und sein Vater Shamsiddin Saidov, der wie seine Mutter mit anerkannten Flüchtlingsstatus in Aachen lebt, gilt in dieser nicht extremen islamistischen Partei der Wiedergeburt Tadschikistan als führender Kader. „Sehr besorgniserregend“ sei die drohende Abschiebung deshalb, warnte der Direktor der für Zentralasien zuständigen Abteilung der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, Hugh Williamson, schon im Dezember. „In Tadschikistan sind bereits mehrere IRPT-Mitglieder allein wegen ihrer Parteimitgliedschaft bis zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt worden“, sagt Williamson heute. Dort seien sie unter dem Regime des autokratischen Präsidenten Emomalij Ramon gefoltert und misshandelt worden - „etwa durch Schläge oder Schlafentzug“. Auch das norwegische Helsinki-Komitee und Aktivist:innen der NGO Freedom for Eurasia  warnen dringend vor der Abschiebung. In ein Flugzeug mit Ziel der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe kann Abdullohi Shamsiddin jeden Tag gesetzt werden. Schon am 11. Dezember war er frühmorgens aus seiner Dortmunder Wohnung geholt worden - der Abschiebung entging er nur, weil er sich im Flughafen München selbst verletzte und sich selbst die Nase brach.                                                                                                                       Doch auch ein Dritter, aus der Abschiebehaft gestellter Asylantrag ist vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gescheitert: Wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hält auch das Gericht Shamsiddins IRPT-Mitgliedschaft für unglaubwürdig - und bezweifele, dass der führende Parteikader Saidov überhaupt sein Vater ist. „Schnell geklärt werden könnte das doch über einen DNA-Test“, sagt Cornelia Suhan dazu - die Dortmunder Fotografin ist Kopf eines Netzwerks, das für Shamsiddin kämpft. „Wir fordern die Dortmunder Ausländerbehörde nachdrücklich auf, einem solchen Test zuzustimmen.“ Unzweifelhaft bestätigt werden könnte so auch, dass Abdullohi Shamsiddin Vater seiner Kinder ist - denn auch die Kernfamilie des Dortmunders lebt in Europa: Seine Frau Sumaya und seine 2020 und 2022 geborenen Söhne Muhammad und Abdurahmon haben in Litauen Flüchtlingsschutz und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht erhalten.                                                                                                                          „Die Abschiebung muss ausgesetzt werden, damit Herr Shamsiddin die Chance bekommt, mit den DNA-Tests zu beweisen, dass er Kind seiner Eltern und Vater seiner Kinder ist“, fordert deshalb auch Sebastian Rose von der Organisation Abschiebungsreporting NRW. „Der Mann hat einen Rechtsanspruch nach europäischen Flüchtlingsrecht auf Familienzusammenführung zu Frau und Kindern - und die Stadt Dortmund weiß das“, erklärt Rose. „Absurd“ seien Vorschläge, Shamsiddin könne sich doch in Deutschland um ein Visum für Litauen bemühen.

                                                                                   

Hier wohnt die Verzweiflung: Abschiebegefängnis in Büren Foto: Martin Lengemann/Welt/Ullstein Bild