21.12.2022

Umstrittene Abschiebung eines Dortmunders. In den Fall kommt erneut Bewegung.

Redakteur: Felix Guth

Seit dem 12. Dezember befindet sich ein Abdullohi S., 32-jähriger Staatsbürger Tadschikistan in Abschiebehaft. Die Dortmunder Ausländerbehörde hatte angewiesen, dass er in seiner Heimat zurück muss. Die Behörde legt ihm zur Last, dass er unter falscher Identität in Deutschland gelebt habe. In Kombination mit zwei länger zurückliegenden Straftaten mit jedoch geringem Strafmaß sei das der Grund für die Abschiebung.

Doch S. bestieg letztlich den Flieger nach Duschanbe nicht und befindet sich derzeit weiterhin in der Abschiebehaftanstalt für „vollziehbar ausreisepflichtige Person“ in Büren. „Wir wissen nicht genau, wie um die Weihnachtstage weitergeht“, sagt Cornelia Suhan. Sie gehört zu mehreren Dortmunderinnen und Dortmundern, die viel unternehmen, um Abdullohi S.` Geschichte öffentlich zu machen und die Abschiebung zu verhindern.

Fehler in Dortmund korrigieren

Sie schildern ihn als fürsorglichen und respektvollen Menschen, als Familienvater, der zudem ein wertvoller Arbeitskollege sei. Trotz Fehlern in der Vergangenheit solle die Gelegenheit bekommen, sich weiterhin in Deutschland zu rehabilitieren, meint sie. „Es gibt eine neue Chance“, sagt Suhan nun. Die Sachlage hat sich für den 32-jährigen in mehreren Punkten verändert. Er hat einen neuen Asylantrag gestellt. In Büren laufen aktuell die Vorbereitung für eine Anhörung zu dem Fall, deren Zeitpunkt noch nicht festgelegt ist. „Mit der Feststellung seiner Identität ist sein Leben bedroht, da ihn durch die Mitgliedschaft in der oppositionellen Partei in Tadschikistan Haft und Folter drohe“, sagt Cornelia Suhan. Da S. wieder unter seiner richtigen Identität lebt, liegt mittlerweile ein Mitgliedsausweis in der islamischen Partei der Wiedergeburt Tadschikistan vor. Die Partei ist in dem zentralasiatischen Land verboten. Ihre Anhänger werden nach übereinstimmender Einschätzung von Menschenrechtsorganisationen verfolgt - nicht nur in Tadschikistan, sondern auch außerhalb des Staatsgebietes.

Oppositionelle sind gefährdet

Sebastian Rose von der Initiative Abschiebungsreporting NRW, die auf Vereinsbasis Fälle in ganz Deutschland dokumentiert, sieht die Sache so: „Wegen der hohen Gefährdungslage für tadschikische Oppositionelle auch im Ausland, hatte der Mann seit 2009 unter einem anderen Namen in Deutschland gelebt.“

Ein Teil der Protestgruppe gegen die Abschiebepläne in Dortmund im Dezember.

„Dramatisch“ sei die Situation aus der Sicht des Aktivisten aus einem weiteren Grund: Sein Vater habe aufgrund einer gehobenen Stellung in der tadschikischen Oppositionspartei schon vor einigen Jahren Flüchtlingsschutz in Deutschland erhalten. Der Vater von Abdullohi S. sowie dessen Kinder und Ehefrau waren am Samstag (17.12.) Teil einer Mahnwache vor der Dortmunder Ausländerbehörde, an der rund 40 Personen teilgenommen hatten. Tadschikischen Menschenrechtsorganisation in Europa und den USA zufolge sowie laut Menschen, die sich in Dortmund in dem Fall einsetzen, drohen dem 32-jährigen nach seiner Abschiebung Folter und Inhaftierung.

Human Rights Watch äußert sich

Sebastian Rose von Abschiebungsreporting und NRW formuliert eine klare Forderung: „Wir fordern die Stadt Dortmund und das Ministerium für Flucht und Integration auf, die geplante Abschiebung des Mannes sofort zu stoppen und ihn noch vor Weihnachten aus der Abschiebehaft zu entlassen.“  Er solle Gelegenheit bekommen, „ein neues, faires Asylverfahren zu führen, ohne Angst vor einer Abschiebung und der Trennung von Ehefrau und Kindern“. Zuletzt hatte außerdem Philippe Dam, Direktor der Abteilung Europa und Zentralasien von Human Rights Watch, die deutschen Behörden aufgefordert, „angesichts der drohenden Verfolgung und Folter“ den Fall neu zu prüfen. Bis zur Klärung eines Verfahrens können Personen bis maximal sechs Monate in einem Abschiebegefängnis bleiben.

Eine neue Sachlage, ein neuer Asylantrag - eine neue Chance? Im umstrittenen Abschiebungsfall des Tadschiken Abdullohi S. gibt es neue Entwicklungen.