20.08.2022

Streit um den richtigen Ort

Streit um den richtigen Demo-Ort

Büren. Aktivist Frank Gockel möchte mit der Mahnwache für einen gestorben Insassen näher an die Hafthäuser der Büren Abschiebehaftanstalt heran. Ein Gericht muss entscheiden.

Aktivist Frank Gockel möchte mit der Mahnwache für einen gestorbenen Insasse näher an die Hafthäuser der Bürener Abschiebehaftanstalt heran. Das lehnt die Polizei ab. Jetzt soll ein Gericht entscheiden.

Jutta Steinmetz

Büren. Einen grausamen Tod fand vor 23 Jahren Raschid Sbaai. Er starb in einer Isolationszelle des Abschiebegefängnisses Stöckerbusch infolge von Verbrennungen und einer Rauchvergiftung. Der Marokkaner hatte seine Matratze selbst angezündet. Damit sein Sterben nicht vergessen wird, findet alljährlich an seinem Todestag eine Mahnwache vor der Bürener Haftanstalt statt. Jetzt wird vor dem Verwaltungsgericht Minden darum gestritten, ob die Polizei 2021 zurecht ein Heranrücken der Veranstaltung an die Hafthäuser untersagte. Am Mittwoch, 24. August, wird eine Richterin der 11. Kammer die Örtlichkeit persönlich in Augenschein nehmen.

Dass sich stets am 30. August um 19 Uhr einige Menschen vor dem Abschiebegefängnis Stöckerbusch versammeln, um an den Tod des Marokkaners zu erinnern, ist nichts Neues. Seit dem Jahr 2000 findet die Mahnwache regelmäßig statt - auf der Straße, in der Nähe des Eingangsbereichs. Für Frank Gockel, Sprecher des Vereins „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren“ und seine Mitstreiter ist das nicht gerade der ideale Ort. „Wir wollten schon immer ein Stück näher an die Hafthäuser heran“, so Gockel. „Wir wollen uns solidarisch zeigen mit den Menschen, die in der Abschiebehaft sind.“ Und da sei es eben wichtig, dass diese wenigstens zum Teil die Mahnwache wahrnehmen könnten.

Der Antrag des Vereins, die Veranstaltung deshalb, um gut 50 Meter weiter in Richtung Hafthäuser zu verlegen, stieß bei der Kreispolizeibehörde auf Ablehnung, wie Gockel berichtet. Diese vertrete die Auffassung, dass just dort Sicherheitsbedenken bestünden. Die Demonstranten könnten nicht ausweichen, wenn etwa ein Rettungswagen die ohnehin sehr schmale Straße passieren müsse. Auch auf die Verkehrslage im frühabendlichen Büren hebe die Polizei ab. Dort sei nach Aussicht der Ordnungshüter um 19 Uhr das Verkehrsaufkommen so hoch, dass sich die gewünschte Verlegung der Mahnwache verbietet. Argumente, die Gockel mit Kopfschütteln zur Kenntnis nimmt.

„Es ist jedem bekannt, was da abläuft“, sagt er. Denn mitnichten kämen hunderte von Menschen zu der Mahnwache, regelmäßig fänden sich lediglich 10 bis 15 Menschen ein, um an Raschid Sbaai zu erinnern. Und das auch nicht für eine lange Zeit. „Es ist 1 Stunde angesetzt“, so Gockel. Aber meist ging man schon nach 30 Minuten wieder auseinander.

Die Bedenken der Polizei teilt er gerade mit Blick auf die örtlichen Gegebenheiten nicht. Links und rechts der 3,30 Meter breiten Straße böte sich genügend Raum für die Demonstranten, um im Falle eines Falles den Weg für ein Rettungswagen freizumachen. „Dann machen wir einfach Platz“, sagt Frank Gockel. Schließlich sei auf der einen Straßenseite ein Schotterstreifen vorhanden. Mit seiner Breite von 4,40 Meter sei dieser gut zum Ausweichen geeignet, ebenso der Grünstreifen auf der anderen Seite. Der bringt es immerhin auf 2 Meter, weiß Gockel, der mit einem Zollstock vor Ort gemessen hat. Erst dann beginne der Wald. Dass die Polizei diese Gegebenheiten für ungeeignet hält, kann Frank Gockel nicht verstehen. Er hat den ablehnenden Bescheid aus dem Vorjahr dem Verwaltungsgericht Man zur Überprüfung vorgelegt. Denn es ist ihm und seinen Mitstreitern eine Herzensangelegenheit, dass auch die Menschen, die in Stöckerbusch einsetzen müssen, etwas von der Mahnwache mitbekommen. „Es wäre toll, wenn uns zumindest ein kleiner Teil der Gefangenen hören oder sehen könnte.“

Michael Biermann, Pressesprecher der Polizei, will sich mit Blick auf das laufende Verfahren nicht zum Sachverhalt äußern. Er weist darauf hin, dass es zu den Aufgaben der Polizei gehöre, den störungsfreien Ablauf einer Versammlung zu ermöglichen. Gleichzeitig müsse sie aber auch die Sicherheit der Bevölkerung gewährleisten und Gefahren für andere, die nicht an der Versammlung teilnehmen, abwehren.

Wenn die Verwaltungsrichterin am Mittwoch anreist, „um sich einen persönlichen Eindruck zu verschaffen“, wie Pressesprecherin Theresa Grabitz mitteilte, so geschieht das unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Lediglich Vertreter der Polizei sowie Frank Gockel dürfen anwesend sein. Möglicherweise wird die 11. Kammer ihre Entscheidung schon am folgenden Tag verkünden.

Frank Gockel findet, dass links und rechts der Straße vor der Abschiebehaftanstalt genügend Platz ist, falls die Demonstranten einem Rettungswagen ausweichen müssen. Foto: Johannes Büttner