03.10.2018

Abschiebehaft wird verschärft

Gesetz-Entwurf: In der Bürener Haftanstalt sind weitere Einschränkung für Handys, Bargeld und Durchsuchungen sowie härtere Sanktionen vorgesehen. Personalmangel ermöglicht Mehrfachbelegungen

Von Karl Finke

Büren. Bernhard Hoppe-Biermeyer kennt die Abschiebehaftanstalt im Büren nach drei Jahren recht gut. Der CDU-Landtagsabgeordnete aus dem Kreis Paderborn hat die „Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige“ (UfA), wie sie offiziell seit zwei Jahren heißt, schon ein halbes Dutzend Mal besucht. Am Rednerpult im Düsseldorfer Landtag ist ihm so die Rolle zugefallen, das Gesetz zur Änderung des Abschiebevollzugsgesetzes NRW zu erklären.

„Der Anschlag vom Breitscheidplatz hatte massive Auswirkungen auf die Arbeit in der UfA“, nennt Hoppe-Biermeyer die Amokfahrt von Anis Amri am 19. Dezember 2016 in Berlin als ein Wendepunkt in der deutschen Politik. Staatsanwaltschaften und Ausländerbehörden informieren mittlerweile systematischer über sogenannte Gefährder für die Sicherheit.

Drogen-Funde führten zu weiteren Verschärfungen

Flüchtlinge mit krimineller Vergangenheit bleiben seitdem möglichst nicht mehr auf freiem Fuß, sondern werden in Büren in der einzigen Abschiebehaftanstalt untergebracht. Die Haftanstalt erfährt „über strafrechtliche Verurteilungen oder vorangegangenen Strafvollzug“, so Hoppe-Biermeyer.

Für die tägliche Praxis in der UfA sieht der Gesetzentwurf Einschränkungen und schärfere Sanktionen bei „Fehlverhalten“ vor. Das Abkleben von Handy-Kameras zeigt kaum Erfolge. Bilder aus dem Inneren der Anstalt würden weiterhin nach außen dringen. Zukünftig will die UfA Handys ohne Kamerafunktion kostenfrei zur Verfügung stellen.

Drogen-Funde führen den Gesetzgeber zu weiteren Verschärfungen. Hafträume dürfen dem Entwurf zufolge zukünftig ohne Anwesenheit der Inhaftierten durchsucht werden. Diese könnte somit keine Hinweise mehr an anderen Inhaftierten geben. Unterstützend soll Bargeld komplett verboten werden. Intern könnte bargeldlos eingekauft werden, so Hoppe-Biermeyer.

Mithilfe einer UfA-Hausordnung will das NRW-Integrationsministerium zukünftig schärfere Sanktionsmaßnahmen ermöglichen. Die Haftanstalt verfügt bereits heute über einen „Gewahrsamsbereich“, in dem sogenannte Störer für eine bestimmte Zeit jegliche Freigänge verwehrt werden. Als Gefährder verdächtigte Personen könnten hier eine Woche und länger inhaftiert werden. „Die meisten Personen verhalten sich ganz ruhig“, sagt der Abgeordnete Hoppe-Biermeyer, „doch das Personal muss eine Handhabe gegenüber gefährlichen Häftlingen bekommen.“

Durch die bereits eingeleitete neue Praxis hat sich der landesweite Bedarf an Haftplätzen in der einzigen UfA in Büren deutlich erhöht. Zurzeit können hier nicht mehr als 135 Ausreisepflichtige untergebracht werden, weil die Bezirksregierung in Detmold nicht mehr Personal für den staatlichen Hoheitsbereich findet. Durch weitere Einstellungen könnte die Zahl auf 175 erhöht werden, so Hoppe-Biermeyer. Bis dahin kann die UfA-Leitung bei Einverständnis von Häftlingen bereits Mehrfachbelegung von Zellen vornehmen. Zukünftig soll dies auch auf Anordnung der Leitung möglich werden.

Vor einem Gesetzesbeschluss wollen die Landtagsabgeordneten Sachverständige anhören und den Text in den Fraktionen sowie im Integrationsausschuss beraten. „Integrationsminister Joachim Stamp will den Entwurf nicht auf Biegen und Brechen durchbringen sondern Änderungen ermöglichen“, so Hoppe-Biermeyer zu den politischen Beratungen. Er gehört dem Integrationsausschuss und auch dem Beirat der UfA an. Ende dieses Jahres soll das neue Gesetz wirksam werden.

Frank Gockel, betreut seit über 20 Jahren mit dem Verein „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren“ Inhaftierte und ist dessen Sprecher. Er verweist auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs 2015, dass Mehrfachbelegungen wie in Strafhaft untersagte. Seinen Information nach wolle das NRW-Ministerium im Büren sogar bis zu 250 Ausreisepflichtige unterbringen.

Die geplante Änderung in der Handy-Praxis der Haftanstalt mache den ehrenamtlichen Betreuern Kopfschmerzen. „Das Smartphone ist heute nicht nur Telefon sondern auch Adressbuch und Internet-Verbindung“, so Gockel. Wer sein Gerät abgeben müsse, verfüge über keine Kontakte mehr. Auch die Betreuer sollen zukünftig kein Handy mit Kamera mehr in die Beratungen nehmen dürfen. „Dabei hat es mit uns nie Probleme gegeben“, sagt Gockel. Auch die Besuchszeiten wolle man statt bis 22 nur noch bis 19 Uhr erlauben. Bereits heute könnten Inhaftierten nur in Form eines gegenseitigen Listenabgleichs von Namen besucht werden. „Wir dürfen bereits nicht mehr die Person sprechen, die wir wollen.“

„Größeres Kopfzerbrechen“, so Gockel, macht den Betreuern der neue Isolationsbereich in Büren. Namen der dort Inhaftierten (etwa 15) würden dem Verein nicht mehr bekannt. Die Zuweisungen könnten willkürlich vollzogen werden, wenn ein Beamter sich zum Beispiel beleidigt fühlen würde.

Krankenstand teilweise über 20 Prozent

„Wir brauchen ein externes Beschwerdemanagement“, fordert Gockel und würde ein solches mit einer Wohlfahrtsorganisation auf dem Weg bringen wollen. Die Personal-Probleme kann der Vereinssprecher verstehen. „Weil die Arbeitsbedingungen erschreckend sind“, sagt er und zählt dazu auch die 60-Stunden-Woche bei den Mitarbeitern des Kieler Wachschutzes. Seiner Kenntnis nach liegt der Krankenstand teilweise über 20 Prozent, meist über zehn Prozent. Von der früheren          rot-grünen Landesregierung war der Betreuungsverein mehrfach ins Innenministerium eingeladen worden, um seine Erfahrungen einbringen zu können. Das Integrationsministerium sei „nicht mehr bereit uns anzuhören“, sagt Gockel, „aber die Politiker wissen über unsere Bedenken Bescheid und wir bringen Sie noch ein.“

Je zur Hälfte Hoheitspersonal und private Kräfte

•Die Unterbringungsanstalt für Ausreisepflichtige (Ufa) im Wald zwischen Büren und Bad Wünnenberg-Haaren hält für zurzeit 135 Haftplätzen dieses Personal vor:

•Von 59 Planstellen für Beamte im Justizvollzugs- und Polizeivollzugsdienst sind aktuell 50 besetzt. Weitere 15 Planstellen sind im tariflichen Angestelltenbereich verankert - besetzt sind davon elf. Dazu kommen im hoheitlichen Bereich 15 Anwärter auf entsprechende Stellen. Sie durchlaufen eine zweijährige Ausbildung.

•Das staatliche Personal wird im Moment von 60 privaten Sicherheitskräften unterstützt.             (fin)

Begleitet neues Gesetz: Landtagsabgeordneter Bernhard Hoppe-Biermeyer (CDU).
Betreut Inhaftierte: Frank Gockel, Sprecher des Betreuungsvereins.
Die offizielle sogenannte Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige (UfA): Im Wald zwischen Büren und Bad Wünnenberg-Haaren werden die abgelehnten Asylbewerber in drei Hafthäusern (l.) untergebracht. Rechts befindet sich der Eingangsbereich, die Verwaltung und die Besucherräume. Foto: Johannes Büttner