07.06.2018

Nach Suizid werden Vorwürfe laut

Abschiebehaft Büren: Erneut steht die Unterbringungseinrichtung für ausreisepflichtige in der Kritik. Laut Hilfeverein soll es an psychologisch geschultem Personal und Gesprächsangeboten fehlen

Von Björn Vahle und Svenja Ludwig

Kreis Paderborn. Der Verein „Hilfe für Menschen Abschiebehaft Büren“ fordert nach einem Todesfall in der Abschiebehaft psychologische Betreuung für die dort Untergebrachten. Die Landesregierung müsse dafür Sorge tragen, dass professionelle Sozialarbeiter und Psychologen eingestellt werden, erklärte der Verein. „Viele Menschen sind in Büren verzweifelt und haben Angst vor der Abschiebung“, sagt der Sprecher des Vereins, Frank Gockel. Deshalb seien Sozialarbeiter und Gesprächsangebote für die Inhaftierten nötig.

Bislang seien zwar sogenannte Sozialassistenten im Auftrag eines mittelständischen Familienunternehmens im Abschiebegefängnis in Büren beschäftigt, erklärte Gockel. Diese seien in der Vergangenheit oftmals selber überfordert gewesen.

Am frühen Montagmorgen habe sich ein 41-jähriger Georgia in Abschiebehaft in Büren erhängt, erklärte der Verein. Die Umstände des Todes sei noch unklar.

Psychologenstelle seit mehreren Wochen ausgeschrieben

Die Polizei und die Bezirksregierung Detmold bestätigen den bislang unbekannten Fall. Frank Gockel wirft der Anstalt in einer Pressemitteilung vor, versucht zu haben, „den Vorfall möglichst geheim zu halten“. Die Bezirksregierung habe „von der eigeninitiativen Verbreitung der Information in die Öffentlichkeit abgesehen“, reagierte Pressesprecher Andreas Moseke auf Anfrage der NW, der Einrichtungsbeirat als externes Gremium sei aber umgehend informiert worden.

Wie lange der Georgia sich schon in der Einrichtung in Büren aufhielt, wollte die Bezirksregierung ebenso wenig kommentieren, wie die Frage, ob dem Mann ein konkreter Abschiebetermin bevorstand.

Der Fall habe „große Betroffenheit innerhalb der Einrichtung ausgelöst“, so die Bezirksregierung. Sozialbetreuer stünden für die anderen Insassen bereit. Detmold stelle „grundsätzlich die umfassende Betreuung der Untergebrachten sicher“. Außerdem sei dem Hilfeverein mehrfach weitere Beratungszeit angeboten worden. Gockel hatte kritisiert, die Anstaltsleitung sei nicht bereit, Nichtregierungsorganisationen „in einem angemessenen Rahmen mit dem Inhaftierten reden zu lassen“.

Dass sie nicht ausreichend für psychologische Betreuung Sorge, lässt die Bezirksregierung nicht gelten. Aktuell machten vier Sozialbetreuer regelmäßig Gesprächsangebote, „die auch häufig angenommen werden“. Ihre Zahl sei wegen des Anstiegs von Insassen von drei auf vier aufgestockt worden. Zudem soll die laut Moseke bereits „seit mehreren Wochen“ ausgeschriebene Stelle eines Psychologen besetzt werden. Grundsätzlich erfolge für alle Insassen „eine erste psychiatrische Einschätzung im Zuge der ärztlichen Eingangsuntersuchung“. Gebühren für Seelsorge und Rechtsberatung würden - entgegen des Vorwurfs von Frank Gockel - nicht erhoben. „Unser Mitgefühl gilt den Familienangehörigen und Freunden des verstorbenen Mannes“, sagte Gockel. Zum Gedenken ruft der Verein zu einer Mahnwache am Freitag, 18:30 Uhr, vor dem Abschiebegefängnis auf. Wie die Katholische Nachrichtenagentur meldet, habe sich nach dem Selbstmord auch die     SPD-Opposition in Düsseldorf in die Diskussion eingeschaltet und „katastrophale Zustände „und „Chaos“ in der Unterbringungseinrichtung kritisiert. Auch der Integrationsausschuss des Landtags hatte sich mit dem Suizid beschäftigt.

Die Haftanstalt steht seit längerem in der Kritik. Mehrfach flüchteten Insassen, zuletzt Anfang und Mitte April. Der von Gockel geführte Verein zeigte die Vollzugsleiterin an, wegen angeblicher Misshandlung von Schutzbefohlenen. Die NRW-Landesregierung hatte Schwierigkeiten eingeräumt und eine Gesetzesnovelle angekündigt, um unter anderem das Bewegungsrecht einzuschränken und Verstöße von Insassen strenger ahnden zu können.

Bedrückender Einbahnstraße: Für die Inhaftierten der Abschiebeeinrichtung in Büren führt der Weg in der Regel zurück ins Heimatland. Auf ein Leben in Deutschland haben sie keine Chance. Foto: Karl Finke