27.02.2015

Flüchtlingsstrom setzt NRW unter Druck

Innenminister rechnet mit 60.000 Asylanträgen/200 neue Aufnahmeplätze in Bielefeld geplant

Das Polster am Platzreserven für Flüchtlinge in NRW ist dünn. Derweil wächst die Zahl der Asylbewerber. Land und Kommunen müssen weitere Plätze schaffen und finanzieren - der Bund nur verwalten. Aus Sicht des Innenministers ist das ein Systemfehler.

Düsseldorf (fpf/lnw). Nordrhein-Westfalen hat derzeit noch 1205 Plätze für neu ankommende Flüchtlinge. Es sei allerdings absehbar, dass die Aufnahmekapazitäten weiter ausgebaut werden müssen, sagte NRW Innenminister Ralf Jäger (SPD). „Wir können uns nicht entspannt zurücklehnen“, meinte er im Innenausschuss des Landtags. „Wenn wir 1000 Plätze zu wenig haben, haben wir Obdachlosigkeit.“ Prognosen zufolge muss sich NRW in diesem Jahr auf deutlich mehr Flüchtlinge vorbereiten als vermutet: Statt der erwarteten 43.000 Erstanträge auf Asyl rechnen die Behörden jetzt mit 10.000 mehr. Zusammen mit Folgeanträgen werden sich voraussichtlich sogar rund 60.000 Menschen in NRW um Asyl bewerben. Im Vergleich zum Vorjahresmonat stieg die Zahl der Erstanträge im Januar um rund 58 Prozent. Nach den Worten des Ministers orientieren sich 60 Prozent der Asylbewerber in Europa aufgrund der langen Verfahrensdauer nach Deutschland. Dies liegt auch an einem Systemfehler: „Nur das Land und die Kommunen haben den Unterbringungs- und Finanzierungsdruck“, sagte Jäger. „Der Bund ist Herr des Verwaltungsverfahrens, hat aber kein Anreiz, sie zu verkürzen.“ Die personelle Verstärkung des Bundesamts für Flüchtlinge reiche bei weitem nicht aus, um die angestrebte Verkürzung der Verfahren auf drei Monate zu erreichen. Die CDU-Opposition warnte davor, die Integrationsbereitschaft der Kommunen zu überfordern. Vor allem müsse vermieden werden, Immobilien für die Unterbringung von Flüchtlingen zu beschlagnahmen. Vor zwei Wochen hatte das Land bei einer Familienferienstätte in Olpe zu dieser behördlichen Anweisung gegriffen. Bei der schwierigen Suche nach passenden Gebäuden geschehe dies aber in höchstens einem von 20 Fällen, sagte Innenstaatssekretär Bernhard Nebe. Eine besondere Herausforderung sei der sprunghafte Anstieg der Zugänge aus dem Kosovo seit Jahresbeginn. Obwohl die Innenminister sich darauf verständigt hätten, die überwiegend aussichtslosen Asylanträge von Kosovaren innerhalb von 14 Tagen zu entscheiden, müssen Sie zunächst untergebracht werden. Die Kosovaren sollten bis zum Abschluss ihrer Verfahren in den zentralen Landeseinrichtung bleiben und nicht auf die Kommunen verteilt werden, so Nebe. Unter den rund 3000 Kosovaren in Landeseinrichtungen haben laut Innenministerium allenfalls neun Aussicht auf zumindest vorübergehenden Schutz. Derzeit sind 9492 Unterbringungsplätze in NRW mit 8257 Asylbewerbern belegt - davon sind allerdings 2076 Menschen nur in einer Notunterkunft. In sechs Einrichtung gab es in diesem Monat laut Bericht des Innenministers Überbelegungen, um die Obdachlosigkeit der Flüchtlinge zu vermeiden. Ziel ist, 10.000 reguläre Plätze in Landeseinrichtung zu schaffen - derzeit sind es 6765. In Bielefeld soll die dortige Einrichtung bis zum Herbst um 200 auf 450 Plätze erweitert werden. Um bereits kurzfristig Entlastung für die zentralen Erstaufnahmestellen des Landes in Bielefeld und Dortmund zu schaffen, soll noch im Laufe des Frühjahrs eine Entlastungseinrichtung mit 200 Stellen in der Notunterkunft Bonn entstehen. Auch in Unna, Düsseldorf, Essen, Siegen- Wittgenstein sollen Unterkünfte neu oder ausgebaut werden. Unterdessen meinte die Abgeordnete Monika Düker (Grüne) bessere Bedingungen in der neuen Abschiebehafteinrichtung Büren an. „Solange es Abschiebungshaft gibt und die Länder Haftanforderungen vollziehen müssen, wollen wir die Unterbringung so Human wie möglich gestalten.“ Angesichts des monatealten Urteils habe die Landesregierung „mal wieder geschlafen“, sagte Joachim Stamm (FDP). „Um Abhilfe zu schaffen, unterstützen wir eine schnelle Übergangsregelung.“

Zeitungen ehren Rupert Neudeck

Der Friedensaktivist Rupert Neudeck (75) hat den Bürgerpreis der deutschen Zeitungen erhalten. Die Jury aus allen Chefredakteuren im Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) würdigte damit in Berlin sein „unermüdliches Engagement für Menschen in Not“. Als Laudator nannte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) den Gründer der Hilfsorganisation Cap Anamur zur Rettung vietnamesische Flüchtlinge („Boatpeople“) und der Hilfsorganisation Grünhelme ein Vorbild: „Rupert Neudeck hat vielleicht das größte geleistet, was ein Mensch überhaupt tun kann: Menschenleben retten.“ Neudeck rief dazu auf, sich bei Hilfsaktion nicht durch Regeln und Ratschläge von Behörden und Institutionen bremsen zu lassen. Risiken gehörten zu humanitären Aktionen dazu, sagte der 75-jährige, der nach wie vor viel reist.                                                                                                              (dpa)

 

Mitmenschlich: Flüchtlingshelfer Rupert Neudeck Foto: DPA
Belegt: In dieser provisorischen Unterkunft, einer Sporthalle in Dortmund, sind nur noch die wenigsten Betten frei. Foto: DPA