20.08.2014

Gefängnis fehlen die Häftlinge

Rund 150 Bedienstete in der JVA Büren stehen nur noch 160 Insassen gegenüber

Von Hubertus Gärtner

Büren. Die Entscheidung über die Zukunft der Justizvollzugsanstalt Büren (JVA) droht zu einer längeren und teuren Hängepartie zu werden. Im einzigen Abschiebegefängnis von Nordrhein-Westfalen dürfen nach mehreren höchstrichterlichen Beschlüssen keine Abschiebegefangene mehr untergebracht werden. Im Düsseldorfer Innen- und Justizministerium zerbricht man sich seit Wochen verzweifelt den Kopf, wie die Zukunft in Büren gestaltet werden könnte.

Die Verantwortlichen stecken in der Bredouille. Vor 20 Jahren hatte das Land NRW etwa 18 Millionen Euro investiert, um eine ehemalige NATO-Kaserne in Büren zu einem riesigen Gefängnis auszubauen. Platz ist dort für 384 Abschiebehäftlingen und für 151 gewöhnliche Strafgefangene. Beschäftigt werden 96 uniformierte JVA-Bedienstete, 30 zivile Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes, 18 Verwaltungskräfte sowie Seelsorger und Sozialarbeiter. Aber ihnen ist zum großen Teil die Arbeit abhandengekommen. Dafür sorgten der Europäische Gerichtshof und der Bundesgerichtshof vor einigen Wochen mit ihren Urteilen. Es wurde entschieden, dass Abschiebehäftlingen nicht - wie Büren jahrelang geschehen - zusammen mit normalen Häftlingen in einer JVA untergebracht werden dürfen. Außerdem sei es rechtswidrig, Flüchtlinge, die aus anderen EU-Ländern illegal nach Deutschland eingereist sind (sogenannte Dublin-Verfahren), hierzulande in Abschiebehaft zu nehmen. Folge: Die JVA Büren stets zu mehr als zwei Dritteln leer. Die letzten Abschiebehäftlinge wurden vor vier Wochen in eine zentrale Einrichtung nach Berlin-Köpenick gebracht. „Wir sind in einem offenen Prozess, es gibt noch keine Entscheidung, was wir damit machen“, sagt Detlef Feige, Sprecher des Justizministeriums. „Wir schauen, welche Möglichkeiten wir haben“, ergänzt sein Kollege Ludger Harmeier aus dem Innenministerium. In der JVA Büren werden jetzt nur noch rund 160 Kleinkriminelle betreut. Meistens sind das arme Teufel, die Freiheitsstrafen unter drei Monaten oder sogenannte Ersatzfreiheitsstrafen zu verbüßen haben, weil sie ihre Geldauflage nicht bezahlen konnten oder wollten. Für diese Tätergruppe allein wird die JVA Büren wohl kaum fortgeführt werden können. Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) hat mehrfach durchblicken lassen, dass diese Klientel nicht in Gefängnisse gehört. Er will sie unter dem Motto „Schwitzen statt Sitzen“ vermehrt für gemeinnützige Arbeiten heranziehen. Ein Mehrbedarf an Gefängnissen hat das Land NRW ohnehin nicht. Weil es wegen der demographischen Entwicklung weniger Häftlinge gibt, sind bereits heute 2700 Gefängnisplätze frei - die Haftanstalten in Mönchengladbach, Krefeld und Coesfeld werden bald geschlossen. Und Büren? Auch hier ist ein Ende der JVA wahrscheinlich. Im NRW-Innenministerium werden nach Informationen dieser Zeitung deshalb vor allem zwei Alternativen diskutiert: Zum einen könnte man die Einrichtung vom Justizministerium übernehmen und sie als Einrichtung zur Erstaufnahme für Flüchtlinge betreiben, oder man könnte ein zentrales Abschiebegefängnis einrichten, dass dann womöglich gemeinsam mit anderen Bundesländern in Kooperation betrieben wird. Der Haken dabei: Derzeit gibt es bundesweit kaum Abschiebehäftlinge -Niedersachsen zum Beispiel hatte zuletzt nur vier, in NRW fehlen sie nach den jüngsten Urteilen ganz. Die Bundesregierung will aber die Rechtslage ändern, damit auch Flüchtlinge im Dublin-Verfahren hierzulande wieder in Abschiebehaft genommen werden können.

 

Beamte in JVA rechnen mit Versetzung

 Einerlei, welche Variante am Ende in Büren zum Zuge kommt: Für die Bediensteten sieht es eher düster aus. Als JVA-Mitarbeiter hätten sie in einer Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge nichts zu suchen. Auch in einer „reinen“ Abschiebehaftanstalt wäre ihr Einsatz fraglich, weil Abschiebehaft nach dem genannten Urteil eben nicht unter Justizvollzug fällt. Die Beamten in der JVA Büren rechnen intern damit, dass sie in andere Haftanstalten des Landes versetzt werden könnten. Was aus den 30 zivilen Mitarbeitern des privaten Sicherheitsdienstes wird, steht ebenfalls in den Sternen.

Info

Drei Klagen mit Folgen

Nach dem Urteil des europäischen Gerichtshofs dürfen Menschen, die vor der Abschiebung stehen, nicht wie Strafgefangene behandelt werden. Anstelle von Gefängniszellen haben Sie Anspruch auf eine bessere Unterbringung in sogenannten Anstalten, den ihre Freiheitsrechte weniger beschnitten werden.

Bislang wurden in mehreren Bundesländern Abschiebehäftlingen mit Straftätern in Gefängnissen untergebracht. Dagegen geklagt hatten eine Vietnamesin, eine Syrerin und ein Marokkaner, die ihre Haft als rechtswidrig empfanden.


Steht zu zwei Dritteln leer: Die JVA in Büren hat derzeit viel zu wenig Häftlinge
Archiv Foto: Karl Finke