17.07.2014

Abschiebehaft als Streitpunkt

Der Europäische Gerichtshof entscheidet heute auch über die Zukunft der JVA Büren

Von Hubertus Gärtner

Büren. Heute wird der Europäische Gerichtshof ein Grundsatzurteil zur Abschiebehaft verkünden. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob Abschiebehäftlinge in gewöhnlichen Haftanstalten zusammen mit anderen Strafgefangenen untergebracht werden dürfen. Auch in Büren (Kreis Paderborn) ist das der Fall. Die Existenz des einzigen Abschiebegefängnisses in NRW steht auf dem Spiel.

„Alle meine Mitarbeiter sind sehr nervös. Sie möchte natürlich wissen, wie es hier weitergeht“, sagt Udo Wehrmeier, Leiter der JVA Büren. Vielleicht wird der Standort in Kürze komplett geschlossen. Dann müssen die etwa 100 Landesbediensteten der JVA Büren woanders hin versetzt werden, rund 30 Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes hätten zudem vermutlich überhaupt kein Job mehr.

Die Zeichen stehen auf Sturm, daran gibt es keinen Zweifel. Eine Richtlinie der EU zur Rückführung von Flüchtlingen aus dem Jahr 2008 schreibt vor, dass die Unterbringung von Abschiebehäftlingen in gewöhnlichen Gefängnissen nur in besonderen Ausnahmefällen geschehen darf. In mehreren Bundesländern, darunter auch NRW und Hessen, ist dies allerdings immer noch ein Dauerzustand. Dagegen hatte es mehrere Klagen von Betroffenen gegeben, die der Bundesgerichtshof dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Entscheidung vorgelegt hat.

Nach Ansicht von Experten ist dessen Grundsatzurteil vorgezeichnet, weil der EU- General Anwalt Yves Bot im April dieses Jahres ein Votum dagegen abgegeben hat, wonach die Grundrechte von Migranten beeinträchtigt werden, wenn deren Abschiebehaft sich „ihrem Wesen nach“ nicht vom Vollzug einer Strafe unterscheidet.

Menschen, die in Abschiebehaft kommen, haben keine Straftaten begangen. Die Freiheit wird Ihnen allein deshalb entzogen, weil sie sich ohne Erlaubnis in Deutschland aufhalten und die Gefahr besteht, dass sie sich eine Ausreise, zu der sie eigentlich verpflichtet wären, durch Flucht entziehen. Vor 20 Jahren hat die Politik in NRW beschlossen, die ehemalige belgische NATO-Kaserne in Büren zu einer großen Abschiebehaftanstalt umzubauen. Bisweilen waren dort mehr als 500 Menschen aus zur zahlreichen Nation inhaftiert. Das führte zu massiven Protesten, die vor allem vom Bürener Verein „Hilfe für Menschen Abschiebehaft“ initiiert wurden. Weil den Haftbeschlüssen mittlerweile eine intensivere Prüfung vorausgeht und allgemein höhere Hürden dafür aufgebaut werden, ist die Zahl der Abschiebehäftlingen stark zurückgegangen.

Wie ein Sprecher des NRW-Justizministeriums auf Anfrage bestätigt, sind in Büren derzeit noch 32 Abschiebehäftlinge, 31 Männer und eine Frau, untergebracht. Gleichzeitig sitzen dort aber auch 140 gewöhnliche Schreibstrafgefangene. Sie verbüßen kurzzeitige Freiheitsstrafen bis zu drei Monaten.

Zwar werden in der JVA Büren die Strafgefangenen und die Abschiebehäftlingen traditionell in unterschiedlichen Hafthäusern untergebracht, doch vermutlich dürfte das dem Europäischen Gerichtshof nicht reichen.

Falls er wie vermutet entscheidet, müssen zwangsläufig entweder die Bürener Abschiebehäftlinge oder die Strafgefangenen verlegt werden. Wie aus sicheren Quellen verlautet, hat die NRW-Landesregierung dazu im Vorfeld bereits Gespräche mit anderen Bundesländern geführt. Man werde sich nach dem Urteil „zusammensetzen und entscheiden“, heißt es gleichlautend offiziell aus dem NRW-Innen- und dem Justizministerium.

Die Konsequenz des zu erwarteten EuGH-Urteils könne nur sein, dass „alle Gefangenen noch am gleichen Tag entlassen werden müssen“, sagt Frank Gockel, Sprecher des Bürener Vereins „Hilfe für Menschen Abschiebehaft“. Auch sei darüber nachzudenken, „wie die über 5000 Gefangenen entschädigt werden, die seit der Umsetzungsfrist der Rückführungsrichtlinie am 24. Dezember 2010 in der JVA Büren unrechtmäßig inhaftiert waren“. Die NRW Landesregierung müsse sich „ohne Wenn und Aber für die Abschaffung der Abschiebehaft im Bundesrat einsetzen“.

Info Abschiebehaft

Die Ausländerbehörden können Abschiebehaft beantragen.

Dann muss ein Richter entscheiden.

Abschiebehaft darf maximal 18 Monate dauern.

Die Justizvollzugsanstalt Büren ist in NRW das einzige Abschiebegefängnis und mit 530 Plätzen das größte in Europa.

 

Ungewisse Zukunft: Udo Wehrmeier, Leiter der Justizvollzugsanstalt Büren, wartet gespannt auf das EuGH-Urteil.
Wegen fehlender Aufenthaltsgenehmigung hinter Gittern: In der Abschiebehaftanstalt Büren sitzen zurzeit 32 Menschen. Fotos: Marc Köppelmann