01.06.1999

Kein Grund zum Feiern

Verein „Hilfe für Menschen Abschiebehaft Büren“ wird fünf Jahre alt

Von Christina Venz

Büren. Mit gemischten Gefühlen blicken die Mitglieder des Vereins „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren“ auf fünf Jahre Betreuungsarbeit zurück. „Einerseits macht es uns Mut zu sehen, dass wir etwas erreicht haben“, resümiert Michael Landschütz dem Diözesan-Caritasverband. „Andererseits resignieren wir, weil wir feststellen, dass es Dinge gibt, die sich auch nach fünf Jahren intensiver Arbeit nicht geändert haben.“ Aufgeben wollen die 14 Aktivisten und 80 Fördermitglieder aber auf keinen Fall. Sie wollen auch künftig für ihr Ziel, die Abschaffung der Abschiebehaft, weiterkämpfen.

„Hilfe heute nötiger als je zuvor“, sagen die Aktivisten mit Blick auf das immer schärfer werdende Asylrecht. „Immer mehr Menschen werden rigoros bei den zuständigen Behörden, zu denen sie voller Hoffnung gegangen sind, verhaftet, in Handschellen nach Büren gebracht und hier inhaftiert“, kritisiert Irene Blumenthal. „Und zwar nur, um den Verwaltungsvorgang Abschiebung zu vereinfachen.“ 90 Prozent alle Abschiebehäftlinge sitzen in der Justizvollzugsanstalt Büren ein, ohne jemals straffällig geworden zu sein. „Diese Menschen verstehen die Welt nicht mehr.“

4500 Abschiebehäftlinge hat der Verein in den letzten fünf Jahren persönlich, mit viel Engagement betreut. 15 bis 20 Prozent erfolgreich. „Trost und Zuwendung sind in den Gesprächen ebenso wichtig wie praktische Hilfen in Bezug auf rechtliche Verfahrensweisen, Ämter und Anträge“, erklärt Landsschütz „Der Bedarf an Hilfe ist riesig. Wir kommen den Anträgen nicht mehr nach. Auch bei uns müssen die Menschen warten.“

13 Menschen haben sich das Leben genommen

Doch das Warten zermürbt viele. Mindestens 13 Menschen haben sich nach Angaben des Vereins seit 1993 das Leben genommen. „Viele der Inhaftierten, die wir erleben“, erklärt Frank Gockel von der Hochschulgruppe „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft“, „stehen unter hohem psychischem Druck. Sie haben panische Angst vor einer Abschiebung, weil sie wissen, dass ihnen in ihrem Heimatland Folter und Verfolgung drohen.“ Ihre Geschichten, da sind sich die Aktivisten einig, sind absolut glaubwürdig. „Man muss ihnen nur Zeit geben und richtig zuhören.“

Zeit zum Zuhören haben allerdings nur die wenigsten der vielfach überlasteten Richter. Anhören so die Erfahrung der Menschenrechtsgruppe, dauern häufig nur drei bis vier Minuten. In der gleichen Zeit werden abgelaufene Haftbeschlüsse verlängert. Lange Haftzeiten und Massenabschiebung sind weiter an der Tagesordnung. „Zum positiven verändert, haben sich nur die Haftbedingungen“, erklärt Gockel. „Das Essen ist besser geworden, die Besuchszeiten sind verlängert, die Menschen können telefonieren.“ Und das wichtigste: Die sogenannte Schaukelfesselung zur Ruhigstellung von Inhaftierten wurde abgeschafft.

Positiv sei außerdem, dass sich die Zusammenarbeit mit dem Beamten der Haftanstalt in den vergangenen fünf Jahren verbessert habe. Verwandelt hat sich die Einstellung vieler Bürener Bürger, die zunächst mit Ablehnung auf die Abschiebehaftanstalt reagierten, diese aber jetzt tolerieren. „Es ist uns gelungen“, erklärt Reinhard Borgmeier vom Flüchtlingsrat des Kreises Paderborn, „die größte Abschiebehaftanstalt in Nordrhein-Westfalen aus der Anonymität zu holen. Auch wenn sie im Wald hinter hohen Mauern versteckt ist, an ihrer Existenz kommt heute keiner mehr vorbei.“

Wollen die Abschiebehaft abschaffen (von links): Reinhard Brockmeier, Maria Heinrich-Lehmann treu, Irene Blumenthal, Frank Gockel und Michel Landschütz. Foto: C.Venz