08.12.1995

Betreuerin klagt: Frustrierte Behörde spielt auf Zeit

Schon zweiter Geburtstag in Abschiebehaft/Innenminister soll Omar Salami (23) helfen

Von Anja Paola Schweins

Büren (WV). „Es ist zum Weinen“, beklagt Doris Hattendorf vom Verein „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren“ die verzweifelte Lage ihres Schützlings Omar Salami (23). Der junge Westafrikaner feiert am Sonntag bereits zum zweiten Mal Geburtstag hinter Gittern. Seit September 1994 sitzt er in Abschiebehaft. Zuerst war er in Kiel untergebracht, im April dann nach Büren verlegt worden. Kein anderer Häftling hier harrt zurzeit so lange hinter Gittern aus wie er. Noch immer verstreicht Monat um Monat; und jetzt droht nach der Abschiebehaft auch noch Untersuchungshaft.

Abgeschoben werden kann Omar Salami nicht, denn seine Nationalität ist offiziell noch immer nicht geklärt. Seine Herkunft aus der Republik Nigeria kann der junge Mann nicht belegen. Von dort war er 1993 ohne Papiere nach Algerien und als blinder Passagier an Bord eines Schiffes nach Deutschland geflohen. In der Hauptstadt seines Heimatlandes hatte er an einer Demonstration gegen die schlechten Lebensbedingungen teilgenommen. Daraufhin war er festgenommen und in einem Camp der Polizei misshandelt worden. Seitdem ist er auf einem Ohr taub. Zusammen mit seinem Freund gelang ihm die Flucht.

In Deutschland wurde sein Asylantrag abgelehnt. Er verließ das Land jedoch nicht. Ein portugiesischer Pass sollte ihm zu einer Arbeitserlaubnis verhelfen. Mit diesem falschen Pass wurde er schließlich verhaftet.

Die zuständige Ausländerbehörde in Meschede wollte den jungen Mann unbedingt abschieben - „egal wohin“, diesen Eindruck musste Doris Hattendorf gewinnen. Wieder und wieder wurde der 23-jährige in den Bonner Botschaften verschiedener westafrikanischer Länder in Handschellen vorgeführt - fünfmal allein in der Botschaft seines Heimatlandes. „Das war eine Farce“, meint Doris Hattendorf, denn dort konnte oder wollte niemand seine Herkunft klären.

Von den Mitarbeitern der Ausländerbehörde sei er daraufhin regelrecht unter Druck gesetzt worden, eine andere Nationalität anzunehmen. „Die behandeln mich wie einen Hund“, schildert Omar Salami seiner Betreuerin Gespräche mit der Ausländerbehörde. Vor allem eines kann er nicht verstehen: „Man gibt mir die Schuld daran, dass man für mich keine Ausreisepapiere bekommt.“

Das Ausländeramt habe behauptet, dass Salamis Muttersprache „Haussa“ in Niger nicht gesprochen werde. Er könne deshalb nicht aus Niger stammen. Doris Hattendorfs Recherchen ergaben jedoch, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung dort diese Sprache spricht. Dass nun - mehr als ein Jahr nach der Verhaftung - ein Strafverfahren wegen des falschen Passes eingeleitet werde, wertet die couragierte Frau als trotzige „Sanktion“ einer „frustrierten“ Behörde und als gleichzeitigen Schachtzug, damit der junge Mann nach Ablauf der (maximal 18-monatigen) Abschiebehaft nicht auf freien Fuß gesetzt wird.

Mittlerweile macht sich Doris                                                                                                                                                                                                                                                                                     …                                                                                                                                                                                                              denn sie weiß, wie sehr er unter der langen Haftdauer leidet. Er grübelt viel, schläft schlecht und „ist schon sehr dünn geworden“. Mindestens einmal pro Woche besucht sie ihn, um ihm Mut zu machen. Noch immer versucht sie, Verwandte oder anderer Zeugen ausfindig zu machen, die seine Identität bestätigen. Die Oma, bei der der Junge auf-                                                                                                                                         …                                                                                                                                                                                                                         sie auf Unterstützung von NRW-Innenminister Franz-Joseph Kniola, dem sie die Salamis Geschichte in einem Schreiben geschildert hat.

„Es ist tragisch, dass ein junger Mensch in Deutschland so etwas erfahren muss“, empört sich die ehrenamtliche Betreuerin. Ihr ist es ein Anliegen, die Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen.

Keiner der Bürener Abschiebehäftlinge sitzt so lange hinter Gittern wie Omar Salami (23). Die Abschiebung in sein Heimatland ist nicht möglich, weil seine Nationalität offiziell noch immer nicht geklärt werden konnte.
Doris Hattendorf engagiert sich im Verein „Hilfe für Menschen Abschiebehaft Büren“ als ehrenamtliche Betreuerin. Besonders empört ist sie über die Art, wie die Ausländerbehörde mit Omar Salami umgeht. Sein Schicksal füllt bereits einen Aktenordner. Nun droht auch noch Untersuchungshaft.