01.12.1995

Stöckerbusch gefährdet?

Bericht aus Düsseldorf

Liebe Bürenerinnen, liebe Bürener!

Landesregierung ohne Konzept

Auch fünf Monate nach der Landtagswahl im Mai dieses Jahres warten die Menschen im Kreis Paderborn weiterhin auf eine klare Bestimmung der rot-grünen Landesregierung. Weder die Koalitionsvereinbarung noch die Regierungserklärung von Ministerpräsident Johannes Rau lassen erkennen, wie die Weichen zur Lösung der dringendsten Probleme gestellt werden sollen. Statt Problemlösungen anzubieten, beschränkt sich die Regierung Rau/Höhn auf Verkündigung, Verheimlichung, Verkleistungen und Verunsicherungen.

Sie, die Menschen in Büren und im Lande, haben jedoch Anspruch auf eine Politik der Wahrheit, der Klarheit und des Augenmaßes, die nicht verunsichert, sondern Richtung für vorgibt. Indessen wird versucht, Abgründe zwischen den Koalitionspartnern zu verstecken, zu verschweigen und Zukunftslösungen zu vertagen.

Zwar hat der Ministerpräsident eine Reihe von Programmen verkündet, er schweigt sich jedoch über umstrittene Äußerung seiner Minister aus: kein klärendes Wort zu dem von der Schulministerin vorgeschlagenen Sabbatjahr für Lehrer, zur von Justizminister Behrens geforderten Entkriminalisierung von Straftaten oder zum von Bauminister Vesper geäußerten PVC-Verbot, welches allein 27.000 Arbeitsplätze in unserem Land kosten könnte.

Verunsichert sind die Menschen auch über die in Aussicht genommene faktische Drogenfreigabe oder das Angebot an Kriminelle, sich von Strafe freikaufen zu können. Unsicherheit auch in der Energiepolitik: Wo bleibt ein schlüssiges Energiekonzept, was wird zum Beispiel. Aus dem Braunkohletagebau Garzweiler, mit dessen „Aus“ weitere 60.000 Stellen verloren gehen würden.

Ohne Konzept steht die Landesregierung da, wenn es um die Stärkung der Wirtschaft und um die Senkung der Arbeitslosigkeit geht. Es gibt keine klaren Aussagen zur Verkehrspolitik, die für das Bürener Land, die Region Hochstift Paderborn und OWL besonders dringend wären. Totale Fehlanzeige auch bei der Frage um die Sicherheit im Lande.

Bei allen diesen Problembereichen ist sich Rot-Grün darin einig, nicht einig zu sein. Ich fordere von der Landesregierung mehr als nur ein Ankündigungspapier, denn mehr als 100.000 Jugendliche ohne Arbeit in NRW haben nichts von einem Aktionsprogramm, das reiner Aktionismus ist.

Stöckerbusch gefährdet?

Die von Innenminister Kniola (SPD) vorbereiteten neun Richtlinien für die Ausländerbehörden sehen, nach den Vorgaben des rot-grünen Koalitionspapiers, eine völlige Lockerung der Abschieberichtlinien vor und haben das Ziel, die Anordnung einer solchen Haft zu vermeiden oder zumindest ihre Dauer zu verkürzen.

Darin sehe ich eine Aufhebung der Abschiebung in der Praxis. Deshalb fürchte ich um den Standort der Abschiebehaftanstalt in Büren-Stöckerbusch.

In dem internen Papier hat Kniola in Eckpunkten vorgeschlagen, dass die Ausländerbehörde des Kreises Paderborn beim Amtsgericht einen Antrag auf  Anordnung der Abschiebehaft nur stellen darf, „wenn die Anwendung eines milderen Mittels nicht möglich ist“. Als ein mögliches „milderes Mittel“ wird unter anderem eine strengere Meldepflicht für ausreisepflichtige Ausländer erwogen.

Wenn auf Abschiebehaft nicht verzichtet werden kann, soll die Haftdauer möglichst kurz sein (höchstens drei Monate) und muss bei Gericht ausführlich begründet werden. Längere Fristen unterliegen der Berichtspflicht für den Innenminister.

Eine weitere Verlängerung der Haft soll nach den Vorstellungen Kniolas unterbleiben, wenn der Ausländer Verzögerungen beim Vollzug der Abschiebung nicht zu vertreten hat und eine Person, die das Vertrauen der Ausländerbehörde genießt, sich um seine Belange kümmern will.

Bei einer solchen Aufweichung der Richtlinien sehe ich in der Tat den Bestand der Haftanstalt in Büren in Gefahr.

Die Notwendigkeit der Richtlinienänderung sehe ich nicht, weil das derzeitige Verfahren angemessen und an der Praxis orientiert ist. Diese Richtlinienaufweichung würde im täglichen Vollzug dazu führen, dass nur noch in ganz wenigen Fällen wirklich abgeschoben werden könnte. Die finanziellen Folgen für die Sozialhaushalte der Kommunen wären unübersehbar. Kniola sollte sein Papier schleunigst wieder in die Schublade zurücklegen.

Düngeverordnung an der Praxis orientieren

Ich fordere dringend die Annahme der von Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert (CDU) vorgelegten Düngerverordnung durch den Bundesrat. Diese Verordnung ist ausgewogen und orientiert sich sowohl an der guten fachlichen Praxis beim Düngen, sowie an den Bedürfnissen des Umweltschutzes.

Leider hat die Landwirtschaftsministerin in Nordrhein-Westfalen, Bärbel Höhn, mit ihren Änderungsvorschlägen im Bundesrat über das Ziel hinaus geschossen, wodurch die bereits bestehenden Wettbewerbsnachteile der deutschen Landwirtschaft noch erheblich verschärft werden. Für unseren ländlichen Raum würden sich diese Nachteile wegen der dichten landwirtschaftlichen Nutzung besonders nachteilig auswirken.

Daher fordere ich die Ministerin für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft von NRW auf, die Anträge des Umweltausschusses der Ländervertretung zurückzunehmen und der Forderung der Bundesregierung zu folgen.

Sorge bereiten muss uns in diesem Zusammenhang der dramatische Rückgang des Rind- und Schweinefleischverbrauchs in Deutschland. Denn die daraus resultierenden katastrophalen Folgen für die heimischen Bauern und die Fleischwirtschaft sind unübersehbar. Deshalb begrüße ich es, wenn die Landwirtschaft durch eine Imagekampagne für mehr Fleischverzehr werben will. Dadurch könnten auch Marketing-Aktivitäten im Kreis Paderborn eine sinnvolle Ergänzung erfahren, wie ein Beispiel in Baden-Württemberg zeigt.

Gerhard Wächter