18.05.1995

Bedrückenden Fluchtweg erlebt

Ungewöhnliche Truck-Ausstellung leider nur einen Tag in Büren

Büren (fin). Der größte deutsche Abschiebeknast liegt vor der Bürener Haustür - aber auch weit weg im Wald. Welche Erfahrungen Flüchtlinge hinter sich haben, die in solch einer JVA eingesperrt sind, erlebten Schüler(innen) aber auch Erwachsene Ausstellungsbesucher gestern im Inneren eines multimedialen Trucks auf dem Parkplatz Detmastraße in Büren.

Mit Walkman auf den Ohren durchlief jeder Besucher 20 Minuten lang zehn Station solcher Fluchtwege. Von einer Verfolgung im Heimatland über Geldforderungen von „Fluchthelfern“ und Ängsten beim Grenzübertritt bis zu Einschüchterungsversuchen seitens rechtsradikaler Deutscher. Am Ende einer „Zelle“ das Warten auf die Abschiebung. Erklärungen, Musik und Originalstimmen auf Band beim Gang durch thematisch gestaltete Räume machen es möglich, den bedrückenden Weg einzelner Flüchtlinge nachzuempfinden.

„Gut, astrein“, wertete Ricarda Bönsch die ungewöhnliche Präsentation, „weil man sehen kann, wie das so ist.“ Die 16-jährige Bürenerin besuchte mit der Klasse 8 der Hauptschule mit als erste den Ausstellungs-Lkw. Besonderen Eindruck auf die Schülerin machte jene mechanische Abfertigung wie sich jener in Auffanglagern nachgebildet wurde und jeder bis zum Fingerabdruck nachvollziehen konnte. „Für mich war das neu!“ Einen möglichen Grund für geringes Wissen über die Problematik legte ihre Mitschülerin Verena Münster nahe: „Meine Mutter hat mich ziemlich davon ferngehalten.“

Bei der Ausstellungseröffnung hatte Pastor Georg Austen die Inhaftierung von Flüchtlingen kritisiert: „Eine Abschiebehaftanstalt darf keine Lösung sein - auch abgelehnte Asylbewerber müssen hier bei uns einen Platz finden.“ Ein Kinder- und Jugendverband wie die in dieser Form aktiv gewordene Landjugend könne jedoch keine Lösung bieten, sondern nur „wach sein, wenn es um die Würde des Menschen geht.“

Stadtdirektor Runge appellierte an die Schulklassen, „Asylbewerber auch mal anzusprechen.“ Viele könnten etwas Englisch. Dadurch bekämen sie das Gefühl, dass jemand an ihrem Leben teilnehme. Ausländerfeindlichen Sprüchen nach den Spray-Parolen auf Bürener Hauswänden im Rahmen der Demonstration erteilte Runge eine klare Absage: „Die hätte ich lieber nicht gehört.“

Eröffnen die Truck-Ausstellung „Fluchtweg Labyrinth“ in Büren auf dem Parkplatz der Detmarstraße: (von links) Pfarrer Peter Gede, Stadtdirektor Wolfgang Rungen, Landjugend-Präses Georg Austen, KLJB-Vorsitzender Guido Kemper, Irene Blumenthal vom Verein „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft“, und Bernhard Hollenbech. Foto: Finke