08.05.1995

1500 demonstrierten friedlich vor der JVA

Starke Polizeipräsenz/Keine Festnahmen/Feuerwerkskörper steckt leerstehendes Haus in Brand

Von Ralf Meyer (Text) und Reinhard Rohlf (Fotos)

Büren. Rund 1500 Teilnehmer, darunter etwa zwei Dutzend vermummte aus der autonomen Szene, demonstrierten gestern vor der Justizvollzugsanstalt Büren gegen Abschiebehaft und die geltende Asylpolitik. Bis auf einige Feuerwerkskörper, die ein leerstehendes Haus in Brand setzen, verlief die Kundgebung friedlich, sodass die Polizei, die mit starken Kräften vor Ort war, kaum eingreifen musste.

Seit den frühen Morgenstunden hatte die Polizei das Gelände um die größte deutsche Abschiebehaftanstalt im Stöckerbusch weiträumig abgesperrt. Mit starken Kräften wurden die Zugänge zur Anstalt gesichert, und weitere Einheiten hielten sich im Inneren der Anlage sowie in den angrenzenden Waldstücken außer Sicht auf. In den Mittagsstunden trafen die Teilnehmer an der Protestkundgebung in Büren ein und sammelten sich am Bahnhof. Von dort ging es per Bus und Pkw in Richtung JVA, wo die Demonstranten allerdings noch einen gesunden Fußmarsch bis zum Haupttor zu absolvieren hatten.

Um 14:16 Uhr näherte sich der Zug der Absperrung. Pfeifend und grölend, der schwarze Block im Laufschritt, mit Transparenten, Che Guevara- und Piratenfahnen, kamen sie auf die Absperrgitter zu begleitet von Feuerwerkskörpern, Böllern und Druckluft-Fanfaren, unterstützen sie ihre Forderungen nach „sofortiger Freilassung der Abschiebehäftling“.

20 Minuten später verließ ein Tanklöschfahrzeug das Haupttor. Im Außenbereich der JVA hatte eine Gruppe Demonstranten den Zaun durchschnitten und in einem leerstehenden Haus, das früher militärisch genutzt worden war, mit einem Feuerwerkskörper ein Zimmer in Brand geschossen. Mit Unterstützung der Bürener Feuerwehr wurde der Brand rasch gelöscht.

In den Muttersprachen der Abschiebehäftlinge sandten die Demonstranten Grußworte per Megaphon über die meterhohen Gefängnismauern. Später folgten Transparente, die von Trauben großer und kleiner Luftballons in Höhe getragen wurden. Während sich ein Transparent im angrenzenden Wald verfing, stieg das zweite, begleitet vom Jubel der Demonstranten, über die Mauern bis in den Innenhof der JVA.

Zwischendurch hatte sich die Stimmung an der Demonstrationslinie deutlich verschlechtert. Während die Polizei ihre Präsenz zugweise verstärkte, gingen zwischen den Beamten Flaschen und explodierende Feuerwerkskörper nieder. Doch beide Seiten blieben letztlich besonnen, was letztlich auch ein Verdienst der rund 20 Veranstaltungsgruppen war, die immer wieder zu einer friedlichen Demonstration aufgerufen hatten. Nach 45 Minuten wandten sich die Demonstranten zum Gehen. „Sonst wird es zu langweilig, und zu teuer, wenn die da den Büttel machen müssen“, meinte einer der Demonstranten mit Blick auf die Beamten.

Zurück am Bürener Bahnhof zogen die Demonstranten zur Abschlusskundgebung auf den Bürener Marktplatz. Bis auf einige Farbschmierereien und ein paar Platzverweise durch die Polizei, die beachtet wurden, gab es auch hier keine Zwischenfälle. Zwischendurch hatte die Einsatzleitung wegen der unerwartet hohen Zahl an Demonstranten die Bezirksreserve auslösen lassen und dadurch die massive Polizeipräsenz weiter verstärkt. Auch ein Polizeihubschrauber kreiste zur Aufklärung über der Stadt. Gabriele Hommel und Thomas Schroedter, die beiden Hauptredner der Kundgebung, unterstrichen, mit der guten Beteiligung seien die Erwartungen voll erfüllt worden. Gleichzeitig erneuerten sie ihre Kritik an der Polizei, die erst im Laufe der Woche bereits lange Zeit vorher getroffenen Absprachen zum Nachteil der Demonstranten geändert habe.

Gabriele Hommel unterstrich, der Tag der Veranstaltung sei bewusst gewählt worden, um der Befreiung von Faschismus vor 50 Jahren zu gedenken. Die Teilnehmer der Kundgebung forderte sie auf, Solidarität mit den Häftlingen zu zeigen. Wörtlich fügte sie hinzu: „Wir haben Hochachtung vor der Meuterei der Bürener Häftlinge zu Ostern und freuen uns über jeden gelungenen Ausbruch“. Die Freude zweier Ausbrecher indes, die am Donnerstag entwichen waren, Werte übrigens nicht lange. Sie wurden inzwischen festgenommen.

 

Jung und Alt demonstrierten gestern Mittag vor der JVA. Rund 20 Gruppen und Parteien hatten zur Kundgebung gegen Abschiebehaft aufgerufen. Unter den Demonstranten befand sich rund 20 Vermummte der Autonomen Szene.

Mit Fahnen und Transparenten zogen gestern Nachmittag rund 1500 Teilnehmer über die Bahnhofstraße zur Abschlusskundgebung auf den Bürener Marktplatz.
Durch zeigen starke Kräfte begegnete die Polizei vor der Anstalt liegt jeglichen Eskalationsversuchen. Mit großen Luftballons nächsten Demonstranten ein Transparent mit der englischen Aufschrift „kein Flüchtlingsgefängnisse, keine Abschiebung „ in den Himmel steigen – es blieb kurze Zeit später in den angrenzenden Baumwipfel hängen.