22.04.1995

„Abschiebung von Y. Bakhari kommt Todesurteil gleich“

Rechtsanwalt Gerd Bauer berichtet über jüngstes Opfer des Asylrechts/Minuten zu spät die Abschiebung gestoppt

Büren/Lichtenau-Atteln (lz). Yahia Bakhari ist gestern aus der Justizvollzugsanstalt Büren abgeschoben worden. Der 25-jährige war dem Vernehmen nach, algerischer Polizist, Mitglied einer Spezialeinheit zur Bekämpfung radikaler islamischer Fundamentalisten. Die zentrale Ausländerbehörde in Bielefeld habe ihn ohne Bescheid ausgewiesen, sagte gestern sein Vertreter, Rechtsanwalt Gerd Bauer aus Atteln. Er ist auch Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Paderborn. Auf Yahia Bakhari wartet in Algier jetzt die Verurteilung als Fadenflüchtiger oder die Tötung durch islamische Terroristen.

„Es ist der dramatische Fall, den ich bisher gehabt habe“, sagt Rechtsanwalt Gerd Bauer. Deutlich werde hier das neue Ausländerrecht, faktisch nehme es keine Rücksicht darauf, ob jemand politisch verfolgt sei. „Das ist bewusst so gemacht worden.“ Im Fall des jungen algerischen Polizisten sei es gleichbedeutend mit einem Todesurteil.

Yahia Bakhari floh im letzten Jahr über Polen nach Deutschland. Als Grund für sein Asylantrag gab er an, dass islamische Terroristen ihn als Mitglied einer Sondereinheit enttarnt und versucht hatten, ihn in einem Café in Algier zu erschießen. Seine Dienstausweise konnte er den Behörden in Thüringen vorweisen. Dort wurde er zunächst in ein Asylantenwohnheim untergebracht.

Der Dienstausweis von Yahia Bakhari. Er war Mitglied einer Spezialeinheit der algerischen Polizei, bevor er nach Deutschland flüchtete.Repro: DHS

Den Termin für seine Anhörung verpasste er um eine halbe Stunde. Den Bescheid darüber mit der Möglichkeit des Widerspruchs konnte er nicht mehr entgegennehmen. Denn die islamistischen Fundamentalisten im Übergangswohnheim hatten ihn als einen ihrer Gegner erkannt. Er floh in die Niederlande, wurde jedoch festgenommen, ausgewiesen und in die Abschiebehaftanstalt Büren eingewiesen.

Somit war die Klagefrist verstrichen. Er hätte den in Deutsch abgefassten Bescheid ohnehin nicht lesen können. Ende März sollte er erstmals abgeschoben werden. Doch ein Mitglied des Vereins „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft“ alarmierte Rechtsanwalt Gerd Bauer. Zwar wartete Yahia Bakhari schon im Düsseldorfer Flughafen auf sein Flugzeug. Doch Gerd Bauer konnte Rechtsmittel einlegen. Danach habe er ein „Folgeasylantrag“ gestellt.

Allerdings nutzte der nicht viel. Gestern Morgen um 4 Uhr wurde Yahia Bakhari von Büren erneut zum Flughafen Düsseldorf gebracht. Wie Rechtsanwalt Gerd Bauer (Foto) später bei der zentralen Ausländerbehörde in Bielefeld erfuhr, ohne Bescheid. Der Folgeasylantrag sei abgelehnt worden, die Ablehnung werde nicht zugestellt, wurde ihm ausgerichtet. Rechtswidrig sei zudem, so Bauer (Foto), dass der Algerier nicht nach Polen abgeschoben worden sei. Zwar konnte Rechtsanwalt Gerd Bauer gestern Vormittag noch beim Verwaltungsgericht in Minden die Abschiebung formal erneut stoppen. Doch das Flugzeug, zu einer Zwischenlandung in Brüssel niedergegangen, war schon wieder gestartet. Es war zu spät.

Gerd Bauer hat das Ergebnis seiner Bemühungen gestern Mittag der Neuen Westfälischen betroffenen mitgeteilt: „Ich könnte heulen.“  Für die Annahme, Yahia Bakhari sei ein Wirtschaftsflüchtling, habe es keine Hinweise gegeben. Als Polizist einer Sondereinheit habe er eher zur privilegierten Schicht des Landes gehört.