19.04.1995

Stiftungsmodell für psycho-soziale Betreuung erreicht

Personalpolitik für Abschiebehaft bleibt umstritten/Erfolg für Wohlfahrtsverbände:

Von Karl Finke

Büren. Während Ministerien, JVA-Leiter und Vollzugsbedienstete gestern die Hintergründe der Häftlingsrevolte unterschiedlich bewerteten, haben die Wohlfahrtsverbände mit der Landesregierung schon vor Ostern Einvernehmen über die seit langem geforderte professionelle Betreuung der Gefangenen erzielt. Das DRK übernimmt dabei die Regie bei einem Modell, das zunächst mit fünf Millionen DM ausgestattet wird.

In Form einer neuen Stiftung, so Innenministeriums-Sprecher Johannes Winkel gestern auf Anfrage der NEUEN WESTFÄLISCHEN, soll die psychosoziale Betreuung der Abschiebehäftlingen finanziert werden. Neben beruflich ausgebildeten Betreuern wollen die Wohlfahrtsverbände dabei weiterhin ehrenamtliche Kräfte einsetzen. Da dem Modell-Beginn nur noch formale Hürden im Wege stehen, wird der Start noch im laufenden Monat April erfolgen. Neben dem DRK können alle weiteren Verbände mitarbeiten.

Der Sprecher des NRW-Justizministeriums, Dieter Wendhoff, wies die Kritik an der personellen Besetzung in der JVA zurück. „An den Haaren herbeigezogen“ sei der Verweis auf nur einen Justizvollzugsbeamten im Hafthaus 1 während der Meuterei. Er zählte zu den anwesenden Beamten einen weiteren Anwärter im Angestellten-Verhältnis - neben sechs privaten Sicherheitskräften. Insgesamt seien zum Zeitpunkt der Revolte neun Beamte und 21 Mitarbeiter der Firma Köter im Dienst gewesen. Ungefähr 1:2 sieht das Kräfteverhältnis vor. Von den Gefangenen überwältigt wurde laut JVA-Leiter Peter Möller am Karsamstag Abend ein Beamter.

„Wider besseres Wissen“, so Wendhoff, habe der innenpolitische Sprecher der Bündnisgrünen Appel die Verhältnisse in Büren beklagt. Dutzende von Journalisten hätten bei ihren Besuchen vor Ort keine unmenschlichen Haftbedingungen kritisiert. Appels Anklage war auch für den Bürener Ortsverbands-Vorsitzenden des Bundes der Strafvollzugsbediensteten, Manfred Schäfer aus Leiberg, „nicht nachvollziehbar, wo‘s doch hier an nichts fehlt“.

Schäfer betonte noch einmal das Bestreben des BSBD nach ausgebildetem Stammpersonal für die JVA. Wechsel in der Mitarbeiterschaft des privaten Dienstes sein noch immer häufig. Das Bürener Verhältnis von festen Justizvollzugsbediensteten und Absonderungen aus anderen JVA hat sich Schäfer zufolge „nur geringfügig gewandelt“ - Zeit betrage es etwa 40:20.

Nicht auf eine halbe Million Mark wie Schäfer, sondern vielleicht 250.000 DM schätzte JVA-Leiter Peter Möller (Foto) die Kosten der bisherigen Sachbeschädigungen seitens der Häftlinge. Als deren Grundproblem sieht er nach wie vor die politische Frage nach der Notwendigkeit der Abschiebung überhaupt und teilweise die lange Verweildauer in der JVA. Die zwei Verhandlungspartner in der Meutereinacht, ein Algerier und ein Tunesier, seien seit März dieses Jahres inhaftiert.     >Kommentar

Der Kommentar

Zu Straftätern in JVA geworden

Die wenigsten Ausländer, die in deutsche Abschiebegefängnis gesteckt werden, sind Straftäter. Einige Insassen der Bürener JVA wurden es nun aufgrund ihrer Meuterei. Dafür sind sie selbst verantwortlich - doch auch die Zwischenstation Abschiebeknast wird dadurch nicht besser. Auch nicht durch die nun erreichte psychosoziale Betreuung. Die kann normale Menschen vielleicht nur davor bewahren, nicht durchzudrehen, obwohl mancher durch eine Inhaftierung fast verrückt werden könnte.    Karl Finke