18.04.1995

„Was muss noch alles passieren?“

Nach dem Häftlingsaufstand in Büren: Kritik an JVA wächst/Bedienstete greifen Landesregierung an

Büren (mbr). Nach der Häftlingsrevolte vom Osterwochenende wächst die Kritik an den Zuständigen in der Abschiebehaftanstalt in Büren. Der Bürener Ortsverband des Bundes der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands (BSBD) sprach vom „Ereignis einer Politik des Sparens um jeden Preis“. Der innenpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Düsseldorfer Landtag, Roland Appel, prangerte die „unzumutbaren Haftverhältnisse“ in Büren an. Der Bürener Verein „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft“ forderte Hafterleichterungen. An der Häftlingsrevolte hatten sich in der Nacht zum Sonntag 42 vorwiegend aus Nordafrika stammende Gefangene beteiligt und die Polizei sieben Stunden lang in Atem gehalten. Einige der Inhaftierten sitzen bereits seit einem Jahr im Abschiebegefängnis.

„Was muss noch alles passieren, bevor die Verantwortlichen in Politik und Administration endlich handeln?“, fragen die im Bürener Ortsverband des BSBD organisierten Vollstreckungsbediensteten in einer  Presseerklärung. Vornehmlich aus Kostengründen werde die Abschiebehaftanstalt Büren mit „viel zu wenig qualifizierten Vollzugsbeamten“ betrieben. Als Ausgleich werde auf Kräfte eines privaten Sicherheitsunternehmens zurückgegriffen, die weder für eine solche Tätigkeit ausgebildet noch hinreichend auf die Beaufsichtigung und Betreuung von Gefangenen vorbereitet seien.

“ Rechnung scheint nicht aufzugehen

„Damit“, so der BSBD, „wird seitens der Politik eine Rechnung aufgemacht, die nicht aufzugehen scheint, bezieht man die durch Krawalle entstandenen Kosten mit ein“. Nach Schätzung des BSBD belaufen sich die Instandsetzungskosten für die Schäden, die durch die jüngsten Krawalle verursacht worden sind, auf nunmehr eine halbe Millionen Mark.

Der Landesregierung warf der BSBD vor, weiter „voll auf Risiko“ zu setzen, wodurch die Gefährdung von Menschenleben in Kauf genommen werde. „Dass die durch die Abschiebehaftgefangenen überwältigten Kollegen mit dem Schrecken davonkamen, grenzt an ein Wunder“, heißt es in der Erklärung des Verbandes, die gestern an die Presse weitergegeben wurde. Es sei kaum zu glauben, dass zum Zeitpunkt des Übergriffes lediglich ein ausgebildeter Strafvollzugsbediensteter in einem Hafthaus mit 200 Haftplätzen eingesetzt gewesen sei. Der BSBD nehme es nicht länger hin, dass derartige Vorkommnisse bagatellisiert würden. Bereits seit langem habe man vor den negativen Folgen der in der JVA Büren „verfehlten Personalpolitik“ gewarnt.

Auch der innenpolitische Sprecher der Bündnisgrünen im Landtag, Roland Appel, kritisierte, dass in Büren größtenteils unqualifiziertes Personal aus privaten Sicherheitsdiensten eingesetzt werde. Eine Meuterei sei deshalb absehbar gewesen, meinte er gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa). Hafterleichterungen forderte Irene Blumenthal vom Vorstand des Vereins „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft“.

“ Wie Strafgefangene gehalten

Die Abschiebehäftlinge, die sich zum überwiegenden Teil nie etwas zuschulden hätten kommen lassen, würden in Büren „wie Strafgefangene gehalten“. Statt in Zellen „stumpfsinnig vor sich hin sitzen zu müssen“, sollten die Häftlinge sich innerhalb der Anstalt frei bewegen dürfen, um sich zum Beispiel kulturell betätigen zu können. Die häufig lange Haftdauer, „die panische Angst nach Hause zu müssen“ und der nur schwer herzustellender Kontakt nach draußen würden dazu führen, dass die Leute schließlich „irgendwann einmal durchdrehen“.

Wie Oberkreisdirektor Dr. Rudolf Wandsleben mitteilte, ist bald mit einer professionellen Betreuung der Abschiebehäftlinge in Büren zu rechnen. Wansenleben verwies dabei auf ein entsprechendes Schreiben von Landesjustizminister Dr. Rolf Krumsiek, wonach mit den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege Einigung erzielt worden sei. Wansleben bemängelte jedoch, dass auf die Resolution des Kreistages vom 3. Mai 1994 an Landtag, Justiz- und Innenminister noch immer keine Reaktion erfolgt sei. Der Kreistag hatte sich seinerzeit für eine Verbesserung der Haftbedingungen und für ausreichend qualifiziertes Personal eingesetzt.                                               >Zwischen Weser und Rhein

 

Die Justizvollzugsanstalt in Büren. Nach dem Häftlingsaufstand vom Osterwochenende wächst die Kritik an den zuständigen hinter den Mauern des größten Abschiebegefängnisses Nordrhein-Westfalens. Foto: Brüggemann