04.09.2006

„Inspiration für uns alle“

Internationale Grußworte für den Verein Hilfe für Menschen in Abschiebehaft

Von Hubertus Gärtner

Kreis Paderborn/Aachen. Die Grußworte kamen aus der ganzen Welt und es gab kaum eine Nachrichtensendung, in dem die Verleihung des Aachener Friedenspreises am Wochenende nicht Erwähnung fand. So viel Anerkennung hat der Bürener Verein „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft“ noch nie erfahren. Mühsam musste er sich stets den Weg in die Öffentlichkeit bahnen, um das Schicksal von Abschiebehäftlingen im Bewusstsein lebendig zu halten.

Am Freitag aber war alles ganz anders. Da reichte sich Ehrung an Ehrung und Interview an Interview. Regine Jäger und Frank Gockel, die beiden Vorsitzenden, standen im Mittelpunkt. Immer wieder mussten sie ihrer Arbeit erläutern. So auch am Nachmittag im Weißen Saal des historischen Rathauses. Während draußen auf dem Vorplatz zahlreiche Menschen die Aachener Reitspiele auf einer großen Leinwand verfolgen, widmeten sich der Oberbürgermeister Dr. Jürgen Linden (SPD) drinnen ernsteren Themen.

Linden sprach vom Flüchtlingsdrama, vom Druckpotenzial der Atomwaffen und von der Gefahr durch islamische Terrorgruppen. Die Arbeit des Bürener Vereins „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft“ sei in Anbetracht dieser Probleme zwar nur ein „Tropfen auf den Stein“, um zu einer menschlichen Gesellschaft zu gelangen. Dennoch sei dieses Engagement enorm wichtig. Die deutschen Behörden seien zwar verpflichtet, die Gesetze anzuwenden, aber auch er empfinde „eine gewisse Gemeinsamkeit“ mit den Gegnern der Abschiebehaft, sagte der Aachener Oberbürgermeister.

Zum Festakt in der „Aula Carolina“ waren diese dann am Abend unter sich. Im Eingang des ehemaligen Augustinerklosters wurden an alle Besucher rote Nelken als Friedenssymbol verteilt. Mehr als 500 Menschen aller Altersgruppen füllten schließlich die Aula bis auf den letzten Platz. Einige hielten blaue Luftballons mit dem Aufdruck weißer Tauben hoch, andere verteilten zum Antikriegstag Flugblätter der Aufschrift „Nie wieder Kolonialtruppen! Keine Auslandseinsätze der Bundeswehr!“

Unter großem Applaus eröffnete Uta Kempen, die stellvertretende Vorsitzende des Vereins Aachener Friedenspreis, den Festakt. Kurze Zeit später wurden zahlreiche bewegende Grußworte verlesen, die andere Träger des seit 1988 verliehenen Aachener Friedenspreises verfasst hatten. Die Hilfe für Menschen in Abschiebehaft sei „eine der wichtigsten humanen Aufgaben“, schrieb beispielsweise Gush Shalom, der Preisträger von 1997 aus Israel. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter des Bürener Vereins sein „eine Inspiration für uns alle“. Mit der Verleihung des Friedenspreises seien sie aufgenommen in eine „weltumspannende Gemeinschaft“, die sich für mehr Humanität und Gerechtigkeit einsetzte.

Wie alle früheren Preisträger, so zeichne sich auch Bürener Verein Hilfe für Menschen Abschiebehaft in besonderer Weise durch „Zivilcourage und Gewaltlosigkeit“ aus, sagte der Vorsitzende des Aachener Friedenspreises e.V., Ottmar Steinbicker. Nur wenige Minuten später gab Steinbicker bekannt, dass der Bürener Verein sein Preisgeld in Höhe von 1000 Euro für ein Projekt der israelischen Friedenspreisträgerin Nabila Espanioly spenden wird, die in Nazareth derzeit ein Projekt zur Hilfe von kriegstraumatisierten Kindern auf die Beine zu stellen versucht.

Schriftsteller Günter Wallraff bewundert das Stehvermögen

„Der Bürener Verein arbeite „auf einem bitteren Feld“, sagte der Schriftsteller Günter Wallraff. Er bewundere das Durchhaltevermögen der ehrenamtlichen Mitglieder. Wohl „häufig beschimpft“, hätten sich diese „niemals unterkriegen lassen von der Rigorosität der deutschen Abschiebemaschinerie“.

In Büren, der größten Abschiebehaftanstalt Europas, „verdursten die Menschen an der Hoffnungslosigkeit und sie vertrocknen an der Angst“, sagte Wallraff. Die Mauern dieses Gefängnisses, in dem der älteste Insasse derzeit 73 und der jüngste 18 Jahre alt sei, müssten „geschliffen werden“, fordert er. Entgegen weit verbreiteter Vorurteile seien die Menschen, die in Büren gefangen gehalten würden, keineswegs Kriminelle, sondern „Botschafter der Hoffnung“, die unsere Solidarität verdient haben“. „Große Teile der herrschenden Politik sein offenbar von „dem Wahn“ beseelt, eine „deutschblütige Reinheit zu bewahren“, sagte Wallraff. Anlässlich der Überalterung unserer Gesellschaft sei es immer stärker geboten „Migranten zu werben“ und ihnen ein dauerhaftes Bleiberecht zu gewähren, anstatt sie in eine ungewisse Zukunft abzuschieben.

„Heute treffen wir in der Abschiebehaft auf Menschen, die in Deutschland geboren wurden. Sie fühlen sich ausgeschlossen und degradiert“, sagte Frank Gockel in seiner Dankesrede. Vielen Abschiebehäftlinge seien verzweigt“. „Auch wir sind oft ratlos“, sagt er. Gockel und etwa ein Dutzend weitere Mitglieder des Bürener Vereins Hilfe für Menschen in Abschiebehaft waren zur Preisverleihung nach Aachen gereist. Die Gruppe war im ehemaligen Polizeigewahrsam untergebracht. Man hat es zu einem Hotel umgebaut.

Im Rampenlicht: Die Vorsitzenden des Vereins Hilfe für Menschen in Abschiebehaft, Regine Jäger (v.l.) und Frank Gockel, zusammen mit dem Vorsitzenden des Aachener Friedenspreises, Ottmar Steinbicker und dem Schriftsteller Günter Wallraff. Foto: Andreas Herrmann