02.09.2006

Leben in Angst vor der Abschiebung

URL:http://www.wer.de/themen/Politik/nrw/friedenspreis_aachen/060901.jhtml

Verein hilft Menschen in der JVA Büren

Von Kathrin Heßling

Seit zwölf Jahren betreuen Regine Jäger und ihre Kollegen Abschiebehäftlingen. Dafür wird der Verein am Freitag (01.09.06) mit dem Aachener Friedenspreis* ausgezeichnet. WDR.de hat die ehrenamtlichen Helfer bei ihrer Arbeit begleitet.

Eke Züheyr lächelt, doch sein Blick ist unsicher: „Ich hoffe, Sie haben positive Neuigkeiten für mich?“ Regine Jäger vom Verein „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren“ zögert kurz. „Zumindest macht der   Petitionsausschuss eine weitere Anhörung.“ Der Petition Landes NRW ist vielleicht die letzte Hoffnung für Eke, der Abschiebung zu entkommen und in Deutschland zu bleiben: In dem Land, in dem der 20-jährige Libanese insgesamt schon 18 Jahre verbracht hat.

Eke soll in die Türkei abgeschoben werden, weil seine Eltern offenbar vor langer Zeit falsche Angaben gemacht haben. Die Familie war vor Eke hofft auf den Jahren aus dem Libanon in die Türkei geflohen. Kurz darauf kam sie Petitionsausschuss nach Deutschland, verschwieg jedoch die inzwischen erworbene türkische Staatsbürgerschaft. Seit knapp drei Monaten sitzt Ekel nun in der JVA in Haft. „Ich habe nichts verbrochen und werde trotzdem wie ein Verbrecher eingesperrt, das verstehe ich nicht.“     

Manchmal nur zuhören

Ekes sei typisch, erzählt Regine Jäger, die Gründungsmitglied des Bürener Vereins ist. „Im Gegensatz zu früher leben hier inzwischen viele Männer, die mehr als ihr halbes Leben in Deutschland verbracht haben.“        Wie 14 weitere Vereinskollegen kommt die 56-jährige jede Woche in den großen, schmucklosen Besuchsraum der Haftanstalt. Sie berät,knüpft Kontakte zu Anwälten, stellt Anträge bei den Ausländerbehörden,               vertritt die Interessen der Häftlinge bei der Anstaltsleitung - und manchmal trinkt sie auch einfach nur eine Tasse Kaffee mit ihnen und Vereinsmitglied Regine Jäger hört zu. „Für mich ist das eine Möglichkeit, gesellschaftlichen Entwicklungen, mit denen ich nicht einverstanden bin, entgegenzuwirken“, begründet die Angestellte der Universität Paderborn ihr ehrenamtliches Arrangement.

„Deutschland für immer verlassen“

„Hier ist vieles anders als in einem normalen Gefängnis“, erklärt der Justizvollzugsbeamte Thomas Bongartz. Er berichtet vom „großen Sport- und Freizeitangebot“, den „umfangreichen Arbeitsmöglichkeiten“ - für acht Euro am Tag -, erzählt von gemeinsamen Grillabenden und von Häftlingen, die gern und freiwillig in ihre Heimatländer zurückkehrten und manchmal von dort sogar Postkarten schrieben. Er zeigt die Bibliothek, den Friseur, den   Bastelworkshop und die Aufenthaltsräume. Dann aber schlägt er immer wieder die schwere blaue Stahltür hinter sich entschloss. Trotz aller Umstände: dies sei halt ein Gefängnis. 

„Es gibt einfach Menschen, die Deutschland für immer verlassen müssen“, sagt Thomas Bongartz. Und damit die nicht vor den Behörden untertauchen, sei die Abschiebehaft notwendig. Von Anfang an, seit 1994, arbeitet der Beamte in der JVA. Genauso lange also, wie auch der Bürener Verein aktiv ist. Dessen Engagement findet der Beamte lobenswert. „Ich denke, als Behörde hat man vielleicht manchmal eine etwas einseitige Sicht. Der Bürener Verein kann da eine Kontrollfunktion einnehmen, die für uns alle gut ist.“ Schließlich gebe es gemeinsame Interessen: „Wir wollen alle, dass die Häftlinge die Anstalt unbeschadet wieder verlassen.“

Umstrittene Todesfälle                                                                             

Am Mittwochabend (30.08.06), versammelten sich mehr als 20 Mitglieder des Plöner Vereins vor der Haftanstalt. Sie stehen etwa 50 m von der Forte entfernt, mehr dürfen sie nicht heran, und halten große Banner und Plakate hoch: „wir trauern um Raschid Sbaai“. Vor genau sieben Jahren kam der damals 21-jährige Marokkaner bei einem Brand in der JVA Büren ums Leben. Noch immer bleiben für den Verein viele Fragen offen – Von Beratung bis Mahnwache mit der Mahnwache wollen die Helfer an sein Schicksal erinnern. 

Am 30.08.1999 starb Raschid Sbaai in einer Arrestzelle in den Kellerräumen der JVA. Er hatte ein Feuerzeug in die Zelle geschmuggelt, die Matratze geriet in Brand - was dann geschah, darüber gehen die Versionen des Vereins und der Anstaltsleitung auseinander. Sbaai habe den Alarmknopf gedrückt, doch die Notrufzentrale sei nicht besetzt gewesen, so der Vorwurf des Vereins. „Die Zentrale war besetzt, der Mann hat den Alarmknopf nicht mehr erreicht“, entgegnet Franz-Josef Schumacher, stellvertretender Anstaltsleiter, und verweist auf die Untersuchungsergebnisse der Staatsanwaltschaft.   

„Viele ungelöste Fragen“     

„Jeder Mensch hat das Recht auf Freiheit!“, Steht auf einem weiteren Plakat der Demonstranten. Sie erinnern auch an den jüngsten Todesfall in der JVA: Vor rund zwei Jahren wurde ein 33-jähriger Mann aus Sri Lanka nachts in seiner Zelle von einem Landsmann erwürgt. Dieser sei psychisch schwer krank gewesen, so der Bürener Verein, und der Anstaltsleitung sei dies auch bekannt gewesen. Franz-Josef Schumacher wehrt sich gegen den Vorwurf: der Mann sei erst am späten Nachmittag angekommen Maximal sechs Häftlinge pro Zelle und habe seinen Zellengenossen gleich in der ersten Nacht getötet. „Bei der Aufnahme des Mannes wurden zwar psychische Auffälligkeiten festgestellt. Doch wie schwer diese waren, hat sich für uns erst im Nachhinein gezeigt.“

Für den Verein bleiben bis zu diesem Tag viele Fragen rund um die Todesfälle ungelöst. Nach etwa einer Stunde endet die Mahnwache.                                                                                                                                                                                                                      

 

                                                                                   

Eke hofft auf den Petitionsausschuss
Bongartz: Abschiebehaft notwendig
Von Beratung bis Mahnwache
Vereinsmitglied Regine Jäger
Maximal sechs Häftlinge pro Zelle