02.09.2006

„Mustergültige Hilfe“

Aachener Friedenspreis ein Verein „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft“ verliehen

Von Hubertus Gärtner

Kreis Paderborn/Aachen. Dem Bürener Verein „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft“ ist gestern der Aachener Friedenspreis verliehen worden. Am Abend nahmen die beiden Vorsitzenden, Regine Jäger und Frank Gockel, die Auszeichnung in der Aula Carolina entgegen. Die Laudatio hielt der Schriftsteller Günter Wallraff.

Bereits am Nachmittag waren Jäger und Gockel im Aachener Rathaus empfangen und für ihr ehrenamtliches Engagement geehrt worden. Seit seiner Gründung im Jahr 1994 hat der Verein „Hilfe für Menschen Abschiebehaft“ etwa 10.000 Häftlinge in der Abschiebehaftanstalt Büren betreut.

Woche für Woche, kümmern sich etwa 15 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer um das Schicksal der Gefangenen. Die Vereinsmitglieder beraten die Häftlinge, vermitteln Kontakte und vertreten ihre Interessen gegenüber der Anstaltsleitung.

Der Verein habe seit seinem Bestehen „mustergültige Hilfe“ organisiert, sagte der Vorsitzende des Aachener Friedenspreises e.V.am Vormittag auf einer Pressekonferenz. Mit dieser Auszeichnung wolle man ein Zeichen setzen. Dafür, dass der Krieg auch Flüchtlinge produziere, denen geholfen werden müsse. Vor dem Hintergrund der Geschichte habe Deutschland eine besondere Verantwortung gegenüber Asylsuchenden und Flüchtlingen. Allerdings, so Steinbicker, werde die Abschiebe- und Flüchtlingspolitik hier im Lande „immer rigoroser und unmenschlicher“.

„Abschiebehaft widerspricht dem Wesen eines demokratischen Rechtsstaates“, sagte die Vorsitzende Regine Jäger. Ihr Verein in Büren sehe sich als „Sprachrohr der Abschiebehäftlinge“ und er stehe nach wie vor auf dem Standpunkt, dass diesen Menschen „Unrecht widerfährt“, weil sie ihrer Freiheit beraubt werden, obwohl sie zumeist „keinerlei Straftat begangen haben“.

„Die finsteren Orte der Demokratie“

Frank Gockel schildert die praktische Arbeit. Viele Menschen im Bürener Gefängnis verstünden überhaupt nicht, warum sie dort eingesperrt sein. „Wir vermitteln Kontakte zu Freunden oder Rechtsanwälten“. Manchmal „hören wir auch einfach nur zu, wenn sich die Inhaftierten ihre Todesangst von der Seele reden wollen“, sagte Gockel.

Der Verein „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft“ bemühe sich ständig, Öffentlichkeit herzustellen, doch das falle in der heutigen Zeit immer schwerer. „Unser Traum ist es, dass es irgendwann keine Abschiebehaft mehr gibt“, sagte Gockel. Er kritisierte, dass manchmal Kinder und Jugendliche in den Abschiebehaftanstalten säßen. Außerdem würden sich einige Ärzte zum willfährigen Instrument der Ausländerbehörden machen.

Abschiebehaftanstalten seinen „die finsteren Orte der Demokratie“, kritisierte Heiko Kauffmann. Vorstandsmitglied im Verein „pro Asyl“. „Deutschland wird Abschiebeweltmeister“, sagte Kauffmann und sprach von einem „System organisierter Unmenschlichkeit“.

Mehr als 100.000 Ausländer seien in Deutschland in den letzten fünf Jahren abgeschoben worden, 49 Menschen hätten sich seit 1993 in der Abschiebehaft aus lauter Verzweiflung das Leben genommen, sagte Kauffmann.

Er appellierte leidenschaftlich an die Politik, das Instrument der Abschiebehaft aus der Welt zu schaffen. Mit der Verleihung des Friedenspreises an den Bürener Verein verbinde sich auch die Hoffnung, dass das Thema wieder verstärkt ins allgemeine Bewusstsein dringe, sagte Kauffmann.

Der Aachener Friedenspreis wird seit 1988 jedes Jahr am 1. September, dem Antikriegstag an Personen verliehen, die gewissermaßen „von der Basis“ zu Völkerverständigung und mehr Toleranz beigetragen haben.

Im vergangenen Jahr waren der amerikanische Theologe Roy Bourgeois und die Brecht-Tochter Hanne Hiob mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet worden.

 

Sie haben ein Traum: Frank Gockel und Regine Jäger vor der Preisverleihung in Aachen. Hinter ihnen eine Fahne mit der Friedenstaube. Foto: Andreas Herrmann