02.09.2006

Ausgezeichnetes Engagement

Aachener Friedenspreis für den Verein „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft“

Von Holger Spierig

Büren. Wenn Frank Gockel das größte deutsche Abschiebegefängnis besucht, kann nach all den Jahren immer noch der Ärger hochsteigen. Gerade hat er mit einem jungen Georgier gesprochen, der abgeschoben werden soll. Der geistig behinderte junge Mann, dessen Familie und Bekannte in Deutschland leben, ist auf Betreuung angewiesen. „Er kann sich alleine nicht versorgen“, erklärt Gockel. Für Menschen wie ihn besorgt der Verein „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren“ Anwälte oder bringt Petitionen auf den Weg. Für den jahrelangen ehrenamtlichen Einsatz hat der Verein am Freitag den Aachener Friedenspreis erhalten.

Das größte Problem ist die Perspektivlosigkeit

Das Angebot der Helfer reicht von juristischer Beratung bis zum gemeinsamen Kaffeetrinken. Der Verein will mit Lobbyarbeit und Aufklärung die Gefängnismauern transparenter machen. Manchmal helfe schon, sich Zeit zu nehmen und zuzuhören, sagt Gockel, der beruflich in Flüchtlingsberatungsstellen arbeitet.

Das hält auch der evangelische Pfarrer Burkhard Schmidt, der als Seelsorger in Büren arbeitet, für enorm wichtig. Das größte Problem der einsitzenden Menschen sei ihre Perspektivlosigkeit, klagt Schmidt. „Wie sich der Verein seit Jahren in aufopferungsvoller Weise für die Gefangenen einsetzt, ist bewundernswert.“ Mehr als 10.000 Menschen betreut der Verein seit seiner Gründung.

Derzeit besucht ein Dutzend der 50 Vereinsmitglieder einmal pro Woche das Abschiebegefängnis in Büren bei Paderborn - mit 560 Betten das größte seiner Art in Deutschland. Der Verein entstand 1994 unmittelbar nach der Errichtung des „Abschiebeknastes“. Zwar habe sich seit Beginn manches in der Haftanstalt gebessert, räumt der Veinsvorsitzende Gockel ein. Doch fast zwei Drittel der Haftbescheide, die er gelesen habe, seien fehlerhaft.

Der Verein kämpfte seit über zehn Jahren mit friedlichen Mitteln für die Abschaffung der Abschiebehaft, heißt es in der Begründung des Aachener Friedenspreises für die Auszeichnung. Ihm sei es zu verdanken, dass in dem Gefängnis Telefonzellen installiert wurden. Auch daran, dass sich die Gefangenen in den Zellen besuchen können, habe er maßgeblich Anteil. Zurzeit setzt sich der Verein dafür ein, dass Kinder und Jugendliche, die in Abschiebehaft sitzen, Schulunterricht erhalten.

Auch von der Anstaltsleitung wird die Arbeit geschätzt. „Die Preisvergabe freut uns“, sagte Leiter Volker Strohmeyer. Die ehrenamtlichen Helfer setzen sich mit Vehemenz für die Interessen der Menschen in Abschiebehaft ein. Es gebe allerdings hin und wieder auch Reibungspunkte.

Flüchtlingsorganisationen heben das menschliche und fachkundige Engagement hervor. Die Ehrenamtlichen engagieren sich mit einem enormen Kraftaufwand für die betroffenen Menschen. Sagt Volker-Maria Hügel von der Härtefallkommission des Landes NRW. Nach Einschätzung des Flüchtlingsrates NRW wird die Arbeit des Vereins künftig noch wichtiger. „Die Abschiebepraxis geht mit unverminderter Härte weiter“, sagt Hans-Joachim Schwabe vom Vorstand des Flüchtlingsrats.

Bei Gockel, der sich seit zehn Jahren in dem Verein engagiert, lösen die Besuche in Büren noch immer ein Wechselbad der Gefühle aus. „Wenn Menschen, mit denen man über eine lange Zeit Kontakt aufgebaut hat, dann doch abgeschoben werden, ist das frustrierend“, sagt er. Immer öfter erlebe er außerdem, dass Flüchtlinge eingesperrt sein, bei denen feststehe, dass sie gar nicht abgeschoben werden können. „Das motiviert mich dann wieder“, sagt Gockel: „Das ist Unrecht, das muss öffentlich gemacht werden.“     epd

 

Die Preisträger (von links): Angelika Stilow, Frank Gockel, Friedrich Wichmann und Regine Jäger vom Verein „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren“. Foto: dpa