02.09.2006

Deutliche Worte gegen Abschiebehaft

Aachener Friedenspreis

Einzelschicksale

Der Journalist beschrieb Einzelschicksale, sprach von den seelischen Belastungen, wenn nicht gar Qualen, die Abschiebehäftlinge - nicht nur in der großen Bürener Anstalt - ertragen müssen, von Gefahren, die ihnen im anderen Land drohen, von Ausgrenzung und Anfeindungen in Deutschland. Wallraff verwies dabei auf die Recht- und Gesetzesmäßigkeit von Abschiebung und vorheriger Inhaftierung. Die das rechtfertigenden Gesetze selbst allerdings verurteilte er scharf. Von Hohn für die Menschenrechte sprach er, und davon, dass das Grundrecht auf Asyl zu einem reinen Ausnahmerecht geworden sei. Er fand auch Schuldige für diese Stimmung. Denn: „Es ist nicht allzu lange her, da besann sich ein Repräsentant der germanischen Herrenrasse, der bayerische Ministerpräsident Stoiber, auf die Überlegenheit der weißen Rasse im original NS-Ton. Da war von unzulässiger „Durchrassung und Vermischung“ die Rede. Das ist der Dung, auf dem rassistisch motivierte Gewalttaten gedeihen.“ Nüchtern stellte er fest, dass es nicht in der Kraft des Vereins und seiner Mitglieder der liege, die Bürener Anstalt abzuschaffen. Auch nicht, wenn der Verein intensive Unterstützung erführe und trotz aller erforderliche Arbeit. Aber Wallraff versicherte den Mitgliedern des rund 50-köpfigen Vereins, dass alle Anwesenden an ihrer Seite stehen, wenn es um die Anklage eines menschenunwürdigen Systems geht, in dem Haft über Freiheit gestellt werde und in dem Abschiebewille mehr wert sei als die politischen und sozialen Rechte von Migranten und Flüchtlingen. Wie Wallraff begrüßten etliche Friedenspreisträger früherer Jahre die Entscheidung, den Preis 2006 an den ostwestfälischen Verein zu verleihen - dokumentiert in einer Vielzahl von Grußworten.

Der Preisverleihung vorausgegangen waren wie in den Vorjahren ein Empfang der Preisträger im Rathaus bei Aachens Oberbürgermeister Jürgen Linden, eine Domführung und nicht zuletzt eine Friedenskundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes am Willy-Brandt-Platz.

Rechtens, aber menschenunwürdig

Aachener Friedenspreis an Verein „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren“ verliehen. Laudator Gunter Wallraff kritisiert Asylgesetzgebung scharf. Große Zustimmung zur Auswahl des Preisträgers.

Von unserem Redakteur Peter Sellung

Aachen. „Wir brauchen eine Welt, in der niemand inhaftiert wird, nur weil er keinen oder nicht den richtigen Pass hat“, hat Frank Gockel gestern Abend in der übervollen Aachener Aula Carolina gefordert. Kurz zuvor hatte er gemeinsam mit Regine Jäger für den Verein „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren“ den Aachener Friedenspreises in Empfang genommen. Auszeichnung für mehr als zehn Jahre friedliche Arbeit gegen Abschiebehaft.

„Seit seiner Gründung hat der Verein bereits rund 10.000 Abschiebehäftlinge in der Abschiebehaftanstalt Büren betreut. Wöchentlich leisten zwölf ehrenamtliche Helfer rund 100 Beratungsstunden. Sie beraten, stellen Kontakte zu Anwälten her, begleiten die Häftlinge auch zu Gerichtsverhandlungen und vertreten ihre Interessen gegenüber der Anstaltsleitung.“ Was in der Preisbegründung von Ottmar Steinbick, sehr sachlich klang, führte Laudator Gunter Wallraff mit leben.

Kritiker der deutschen Abschiebepraxis: Die Aachener Friedenspreisträger (von links) Regine Jäger und Frank Gockel, Friedenspreis-Vorsitzender Ottmar Steinbicker und Laudator Günter Wallraff. Foto: Andreas Schmitter