01.09.2006

Hoffnungsträger bringen Licht in den Zellen Alltag

Von Axel Ebert                                                                                                                                                                                 

Bünde/Aachen (l). Das was Frank Gockel und seine 60 Vereinskollegen tagtäglich erleben, geht unter die Haut. Ohnmächtig müssen sie nämlich akzeptieren, dass                                                                  Asylbewerber nicht weiter in Deutschland geduldet und deshalb abgeschoben werden. Die Einzelschicksale, um die sich der Verein ehrenamtlich kümmert, können reichlich Stoff für traurige Dokumentation liefern.

Gockel sitzt dem „Verein Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V. vor. Seit 1994 besucht und betreut er Betroffene in der Haftanstalt. Das Engagement wird heute mit dem                                               renommierten Aachener Friedenspreis 2006 ausgezeichnet.                                                                                                                            

In der Justizvollzugsanstalt (JVA) Büren - europaweit die größte dieser Art - sind rund 560 männliche Insassen untergebracht, die zum Teil nach mehrmonatigem Deutschlandaufenthalt außer Landes gebracht werden sollen. Männer, die ihr Geburtsland und ihre Familien verlassen haben, um vor Krieg, Wehrdienst, Hunger und Übergriffen zu fliehen. Männer, die Angst haben und verzweifelt sind. „100 Stunden pro Woche beraten wir Abschiebekandidaten“, berichtet Gockel. Durch dieses Engagement schätzt der 34-jährige Flüchtlingsberater, spart die Einrichtung zwei bis drei Sozialarbeiterstellen. Der Verein zeige Wege auf, wie man aus der JVA entlassen werden könne und erkläre rechtliche Hintergründe. „Wir leisten schreib- und Lesehilfe, sagt Gockel. Hilfestellung bei Gericht zählt zur Vereinsarbeit. „Manchmal sind wir nur da, um die Häftlinge aus dem Zellenalltag herauszuholen“, erzählt Gockel. Immer wieder komme dann die gleiche Frage: „Warum bin ich hier? Was habe ich verbrochen?“

Dieser uneigennützige Einsatz sei nicht hoch genug einzuordnen, stellt Ottmar Steinbicker fest. „Mit unserer Auszeichnung wollen wir das Augenmerk der Öffentlichkeit auf die menschenunwürdige Praxis der Abschiebehaft lenken und ein deutliches Zeichen geben eine entsprechende Politik setzen“, begründet der Vorsitzender des Vereins Aachener Friedenspreis die Wahl der Bürener, der sich ausschließlich aus Spenden finanziert.

Seit Vereinsgründung haben die 16 Berater der Gemeinschaft mehr als 10.000 Abschiebekandidaten betreut. Mit dieser Arbeit unterstützen die Aachener Friedenspreisträger auch die JVA. „Wir nehmen ein Stück Spannung aus der Anstalt“, sagt Gockel angesichts möglicherweise aufkommender Aggressionen bei Männern, die mit vier, ihnen fremden Schicksalsgenossen, bis zu 20 Stunden eine Zelle teilen. Dem Verein ist es zu verdanken, dass Telefonzellen in der JVA installiert wurden. Auch ein gegenseitiger Besuch innerhalb der Anstalt war nicht immer eine Selbstverständlichk um die Einzelschicksale nicht zu nah an sich herankommen zu lassen, treffen die aktiven Betreuer sich wöchentlich zu Fallbesprechungen. „Damit man nicht selbst den Bach runter geht“, gesteht Gockel offen ein.

Stichwort: Friedenspreis

Der Aachener Friedenspreis wird seit 1988 einmal jährlich vergeben. Vorschlagsrecht haben die 400 Vereinsmitglieder und jeder Bürger Aachens.

Die Liste der Anwärter - hier können Personen und Organisationen genannt werden - diskutiert der Vorstand und begrenzt anschließend die Auswahl auf fünf Kandidaten. Wer letztlich mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet wird, entscheidet aber stets die Mitgliederversammlung mit einer Zweidrittelmehrheit. Denkbar ist auch, dass sich zwei Vorgeschlagene im selben Jahr den Preis teilen. Dotiert ist die renommierte Auszeichnung nach Angaben der Ausrichter mit einem symbolischen Betrag von 1000Euro.

Laut Satzung sollen Frauen, Männer oder Gruppen gewürdigt und vorgestellt werden, die von „unten her“ dazu beigetragen haben, der Verständigung der Völker und der Menschen untereinander zu dienen sowie Feindbilder ab- und Vertrauen aufzubauen. „Wir wollen Menschen ehren, unabhängig von ideologischen, religiösen oder parteipolitischen Kriterien und unabhängig von ihrer sozialen oder nationalen Zugehörigkeit“, heißt es in den Leitlinien weiter. (ae)

www.aachenerfriedenspreis.de                                                                                                                                                                                                                                                           www.gegenabschiebehaft.de

 

                          BILD

 

560 Männer warten in der Bürener Justizvollzugsanstalt auf ihre Abschiebung Europas größte Einrichtung dieser  Art wird erweitert. Im kommenden Jahr sollen auch Frauen hier untergebracht werden. Die Abschiebehaft   sei in Roman und diese Art der Freiheitsentzugs gehöre abgeschafft erklärt der Büren der Verein sein Selbstver-ständnis. Flüchtlinge seien keine Straftäter.Bild: dpa