01.02.2004

Jubiläum ohne Freude

Zehn Jahre Abschiebehaftanstalt berühren

Büren. Die ehemalige NATO-Kaserne in Büren ist ein Gefängnis. Umgeben von einer Betonmauer, bietet die Justizvollzugsanstalt im Wald oberhalb des Bürener Ortsteils Hegensdorf Platz für 530 Männer und männliche Jugendliche ab 16 Jahren. Es ist keine Strafhaft, die derzeit rund 300 Inhaftierte aus rund 60 Ländern verbüßen. Sie müssen auf die Abschiebung in ihre Heimatländer warten.

Das Hafthaus Büren, im Volksmund „Abschiebeknast“ genannt, ist nach Angaben der Anstaltsleitung das größte seiner Art in Deutschland und zählt zu den größten Abschiebegefängnissen in Europa. In Büren wurden die ersten Ausländer vor zehn Jahren, am 17. Januar 1994, untergebracht. Für die Mitglieder des 1994 gegründeten Vereins „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren“ ist dies ein trauriges Jubiläum. „Unser langfristiges Ziel ist die Abschaffung der Abschiebehaft, bis dahin bemühen wir uns um eine Verbesserung der Haftbedingungen“, sagt Vorsitzender Frank Gockel.

Der Großteil der Gefangenen ist nicht straffällig

Zusammen mit weiteren elf Ehrenamtlichen Besuch Gockel fast täglich die Bürener Gefangenen. Die Mitarbeiter des Vereins erklären den abgelegenen Asylbewerbern oder illegal Eingereisten den Inhalt amtlicher Schreiben, helfen beim Abfassen von Briefen an Anwälte oder Behörden.

Der Leiter der JVA Büren, Peter Möller, begrüßt dieses Engagement. Die Besuche und intensiven Einzelgespräche schaffen Vertrauen und trügen zu einer entspannten Stimmung unter den Männern bei. Grundsätzlich jedoch stehe er als Leiter der Einrichtung hinter dem Konzept der Abschiebehaft: „Ich glaube, dass der Staat Sanktionen braucht, um die Rechtsprechung durchzusetzen.“

Nach Angaben von Frank Gockel, der auch Referent des Flüchtlingsrats NRW ist, liegt in vielen Fällen die „Schuld“ nicht allein bei den betroffenen Ausländern. Manche Länder verzögerten die Ausstellung von Pass-Ersatzpapieren. Auch führten Versäumnisse juristischer Fristen oder fehlende Briefkästen bei Asylbewerberunterkünften in vielen Fällen zu Inhaftierung. „Der Großteil der Bürener Gefangenen, rund 90 Prozent, ist nicht straffällig geworden“, betont Gockel.

Die Unterbringung Minderjähriger in Abschiebehaft sorgt ebenfalls für Kontroversen. Zurzeit befinden sich nach Angaben der Bürener Anstaltsleitung neun Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren in Haft. Für Kritiker ist fraglich, ob in einer Haftanstalt eine altersgemäße Unterbringung möglich ist.

JVA-Leiter Möller verweist auf den eigenen Jugendbereich, den er vor einem Jahr für junge Männer bis 25 einrichtete. Dies sei einzigartig in NRW. Länger als Erwachsene dürfen in Büren die Jugendlichen ihre Zellen zur Freizeitgestaltung verlassen. Dann können Sie fernsehen, Tischfußball spielen, basteln, Deutschkurse oder Gesprächsangebot besuchen. Drei Mitarbeiter von einem Privatunternehmen leisten psychosoziale Beratung.

Was die Anstaltsleitung als Errungenschaft bezeichnet, halten Kritiker wie der Hilfsverein und Gockel für nicht ausreichend. Der evangelische Seelsorger Burghart Schmidt, der an drei Tagen pro Woche Gespräche und Gottesdienste anbietet, würdigt das Bemühen der JVA-Leitung, die Haft „so menschlich wie möglich“ zu gestalten. Gemeinsam mit JVA-Beamten hat der Pfarrer einen Verein gegründet, der Flüchtlinge mit kleinen Sach- und Geldspenden die Rückkehr ins Heimatland erleichtert.

Im Auftrag des Erzbistums Paderborn kümmert sich der Theologe Clemens Stallmeyer von katholischer Seite seit neun Jahren um die Abschiebehäftlinge. Er meint, dass sich die Situation im Vergleich zu den ersten Jahren deutlich entspannt habe. Die durchschnittliche Haftdauer sei geringer geworden. Auch die Insassen würden besser mit ihrem Schicksal zurechtkommen. „Früher war die Verzweiflung größer“, meint Stallmeyer. Diese seelische Anspannung habe sich auch auf die Bediensteten übertragen. Ihnen zollt er ein besonderes Lob für ihre Leistung in den zehn Jahren. Die Bediensteten seien überwiegend „sehr menschlich“ auf die Abschiebehäftlinge eingegangen, hätten sich auch mal um Häftlinge gekümmert, die besonders unter Druck standen.

Diesen Druck kann auch Clemens Stallmeyer lindern helfen. Die Insassen seien sehr dankbar für Gespräche und Gottesdienste. Religion gehöre in der Abschiebehaftanstalt zum Alltag erzählt der Theologe. Durch den Glauben an Gott erführen viele echten Trost. Für die meisten Insassen sei es völlig unverständlich, dass Gott im deutschen Alltag kaum eine Rolle spiele. Dagegen könne jeder zehnte Afrikaner aus dem Stegreif eine Predigt halten. Das Predigen hätten sie ihm erst beigebracht auch „indem sie mir zugehört, haben“, erzählt Sallmeyer und geht sogar so weit zu sagen: „Ich habe im Gefängnis Gott getroffen.“                                                                                                                 epd/jo.

Clemens Stallmeyer ist seit neun Jahren Seelsorger in der Abschiebehaftanstalt Büren. Foto: Reue