01.10.2003

Keine Gerechtigkeit

Was Flüchtlingen bei uns widerfährt

Von allen Zuwanderern in unser Land sind wohl die Flüchtlinge die schlechtes gestellte Gruppe, von den Illegalen einmal abgesehen. Nicht nur, weil sie dem „Schengener Abkommen“ die Überwindung der Grenzen fast unmöglich und seit dem „Asylkompromiss“ von 1993 die Anerkennung der Fluchtgründe so gut wie nie zu erreichen sind. Auch die Lebensbedingungen während des Asylverfahrens, das sich über Jahre hinziehen kann, sind entwürdigend, und das Misstrauen, sich als Wirtschaftsflüchtlinge oder gar Drogendealer einschleichen zu wollen, ist bei Behörden und Bevölkerung mit Händen zu greifen.

Um Ihnen den Aufenthalt nicht allzu angenehm zu machen und eine vorzeitige Integration zu verhindern, bekommen Flüchtlinge keine Arbeitsgenehmigung und sind gezwungen, von einer Unterstützung zu leben, die um 20 Prozent unter dem Sozialhilfesatz liegt. Sie leben in Übergangswohnheimen, sind in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, und die medizinische Versorgung beschränkt sich auf das absolut Lebensnotwendige. Im Jahr 2002 waren in Paderborn 727 Personen betroffen, viele von ihnen noch heute mit ungeklärten Aufenthaltsstatus und ständig von Abschiebung bedroht. Das Asylverfahren schleppt sich dahin, mit fraglichem Ausgang. Die meisten Anträge werden abgelehnt, da die Beamten beim Bundesamt nicht auf einzelne Fälle eingehen und sich beispielsweise nicht gezielt nach der individuellen Verfolgung erkundigen, die ein Grund für eine positive Entscheidung wäre. Die allerdings ist auch vom Arbeitsablauf her nicht opportun, weil sie mit eigenen Worten formuliert werden müsste, wären für Ablehnungen Textbausteine zur Verfügung stehen. Da es Prämien für „effektive“ Entscheider gibt, also solche, die viele Fälle in kurzer Zeit löst, und außerdem positive Entscheidung zur Prüfung dem Chef vorgelegt werden müssen, ist die hohe Zahl der Ablehnungen erklärlich.

Eigentlich sollte der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten sicherstellen, dass die Verfahren einheitlich ablaufen und alles mit rechten Dingen zugeht. Er kann gegen die Bescheide klagen, was aber nur passiert, wenn sie positiv sind. Und wenn eine Behörde eine Zeit lang viele Genehmigungen provoziert - wie es in Düsseldorf der Fall war, wo vielen Kurden Asyl gewährt wurde -, dann wird sie aufgelöst und neu zusammengesetzt, was prompt die Statistik verändert.

Wenn hier schon zu fragen ist, was all das noch mit Recht und Gerechtigkeit zu tun hat, dann haben erst richtig Insassen der Abschiebehaftanstalt Grund zur Klage. Schon der Haftgrund ist fragwürdig: Selten liegt eine Straftat vor; in der Regel werden sie nur deshalb eingesperrt, um eine reibungslose Abschiebung zu gewährleisten. Die kann sich aber hinziehen, wenn keine Papiere vorhanden und die Heimatländer nicht kooperativ sind. Nach dem Gesetz sollten die Gefangenen eigentlich freigelassen werden, wenn die Abschiebung innerhalb von drei Monaten nicht möglich ist. Da die Gerichte aber meist den Ausländerbehörden zustimmen und die Haft verlängern, sitzen die Leute bis zu 18 Monaten ein.

Überhaupt die Gerichte: schon ein Vergleich der Haftdauern in den verschiedenen JVAs zeigt, dass vor dem Gesetz mitnichten alle gleich sind. So wird beispielsweise für Inder in Moers die Haft nie verlängert, da bekannt ist, dass Indien nicht kooperiert. Dort sitzen nur wenige über sechs Monate lang ein und über zwölf Monate niemand. In Büren ist es allerdings üblich, dass 18 Monate abgesessen werden, wenn die Papiere nicht zu beschaffen sind. Indische Asylbewerber, die mit Abschiebehaft rechnen müssen, sollten sich tunlichst auch nicht in Köln aufhalten. Denn wer dort verhaftet wird, geht für mindestens sechs Monate in die JVA. Wird er dagegen Düsseldorf aufgegriffen, bleibt der in der Regel frei.

Flüchtlinge mit weniger Glück landen dann in Büren, die zwar nach außen als Vorzeigehaftanstalt gestylt ist, innen aber zu wünschen übrig lässt. Gartenteich, Grünanlagen, Bänke und Blumenbeete, vom Anstaltsleiter selbst gepflegt, werden Besuchern gern vorgeführt, dürfen von den Gefangenen aber nicht betreten werden. Wo die sich aufhalten, gibt‘s keine Blumen und auch kein Grün. Auch die „Musterzelle“, die Besucher zu sehen bekommen, spiegelt etwas vor, was nicht da ist: die richtigen Zellen sind erheblich kleiner, haben keine abgemauerte Toilette mit Tür und natürlich gibt es Gemeinschaftsduschen auf dem Flur und nicht in der Zelle.

Zusätzlich zur bedrückenden Situation der Häftlinge gibt es kleine Schikanen vom Personal, wie anlässlich der lautstarken Demonstration vor der Haftanstalt. So wurden im ersten Jahr die Insassen durch die Mitteilung beunruhigt, draußen stünden „die Rechten“, die euch jetzt holen kommen“. Seitdem beugt der „Verein für Menschen in Abschiebehaft“ (siehe Heft 13) vor und teilt den Gefangenen die Demotermine rechtzeitig mit. Deshalb sind sie auch nicht überrascht, wenn plötzlich die Sicherheitsmaßnahmen hochgefahren werden und sie aus Angst vor einem Aufstand die Zellen den ganzen Tag über nicht verlassen dürfen.

Hier fehlt der Platz über die weiteren Haftbedingungen zu berichten, wie beispielsweise die schlechte medizinische Versorgung, die teuren Einkaufsmöglichkeiten, die Unterbringung, die Freizeit und die Sanktionsmöglichkeiten in drei speziell eingerichteten Zellentypen. Sie wiegen auch gering gegen all das Unrecht, das Asylbewerbern „durch die Verschärfung der Asylgesetze, durch rigorose Entscheidungen und zum Teil durch Willkür der Behörden widerfährt“ (Verein für Menschen Abschiebehaft).

Doch unternimmt niemand etwas, um das Unrecht zu beseitigen. Obwohl viele Politiker aller Parteien gegen die massive Einschränkung des Asylrechts waren, obwohl die damalige Kohl-Regierung längst abgelöst und obwohl die Asylbewerberzahlen drastisch zurückgegangen sind, bleibt alles so schlecht wie es ist. Schon hört man darüber hinaus Vorüberlegungen, grundsätzlich alle Asylbewerber gleich bei der Einreise in Haft zu nehmen. Man darf gespannt sein, wie sich die hiesigen „VolksvertreterInnen“ bei entsprechenden Abstimmungen verhalten werden.              bn

Wir danken Frank Gockel vom „Verein für Menschen Abschiebehaft Büren e.V.“ für die Informationen zu diesem Artikel.

Die Abschiebehaftanstalt in der ehemaligen Stöckerbusch-Kaserne im Bürener Wald