16.01.2023

"Die Grünen wollen sich wohl alle Türen offenhalten"

Junge Welt 16.1.2023

Abschiebegefängnis soll Düsseldorf gebaut werden. Bündnis kritisiert NRW-Landesregierung. Ein Gespräch mit Britta Rabe

Henning von Stoltzenberg

In Düsseldorf soll ein Abschiebegefängnis gebaut werden. Bei dem Verfahren fehlt es an Transparenz, kritisieren sie. Worum genau gehtt es?   Im September 2021 wurden Pläne der NRW-Landesregierung bekannt, in der Nähe zum Düsseldorfer Flughafen einen sogenannten Ausreisegewahrsam mit 25 Plätzen bauen zu wollen. Daraufhin haben wir uns in einem Bündnis zusammengeschlossen, um deutlich zu machen, dass ein relevanter Teil der Zivilgesellschaft gegen ein solches Vorhaben ist. Zudem fordern wir grundsätzlich die Abschaffung der Abschiebehaft.                                                                                                                                                                                                                                                                                               Anders als bei dieser reicht für die Anordnung des Ausweisegewahrsams, dass die Ausreisefrist mehr als 30 Tage abgelaufen ist. Er muss laut Gesetz im Transitbereich oder in der Nähe eines Flughafens angesiedelt sein. Der Abschiebeknast in Büren - mit Platz für 175 Männer der größte in Deutschland - sowie das Abschiebegefängnis in Ingelheim in Rheinland-Pfalz, in dem Frauen aus NRW inhaftiert werden, sind beide zu weit vom Flughafen Düsseldorf entfernt.

25 Plätze - das klingt nicht nach einer großen Einrichtung.                                                                                                                                                                                                                                     Das mag so sein. Aber mit einer maximalen Haftdauer von zehn Tagen könnten dort pro Jahr fast 1000 Personen eingesperrt werden. Die Erfahrung aus Hamburg zeigt, dass die Plätze wohl nahezu dauerhaft belegt sein werden. Zudem ist durch die vergleichsweise geringen Inhaftierungshürden ein größerer Personenkreis betroffen, potenziell auch Frauen und Kinder. Ein Knast auf dem Flughafengelände wird zudem den Abschiebungsvorgang selbst noch „unsichtbare“ machen: Wer erfährt denn noch von Gewalt gegenüber den Eingesperrten, von deren Verzweiflung oder von Selbstverletzungen bis hin zu Suiziden?

Wie sind sie bislang an Information zum Planungsstand gelangt?                                                                                                                                                                                                                                Im Koalitionsvertrag der seit 2022 amtierenden CDU-Grünen-Regierung steht kein Wort zum von der Vorgängerregierung geplanten Vorhaben. Wer es damals bereits kaum möglich, eine Information zu dem geplanten Bau zu gelangen, ist es mit „Schwarz-Grün“ nicht besser geworden. Unsere Vermutung ist, dass die Grünen in NRW sich alle Türen offenhalten und es sich nicht mit dem Koalitionspartner CDU verschmerzen wollen.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   Wir haben es auch mit Anfragen über die Plattform „Frag den Staat“ versucht, doch das für Flucht und Integration zuständig, Grünen-geführte Ministerium verweigerte die Herausgabe der angefragten Information mit dem Hinweis auf laufende Entscheidungsprozesse.

Ist die Landesregierung nicht dazu verpflichtet, Auskunft zu erteilen?                                                                                                                                                                                                            Zumindest müssten die Dokumente vorgelegt werden, die auf den Entscheidungsprozess der Behörden keinen unmittelbaren Einfluss haben. Dazu gehören laut der Landesbeauftragten für Informationsfreiheit beispielsweise Vermerke über Ortsbesichtigungen. Das solche stattgefunden haben, ergibt sich aus den Angaben des vormaligen Ministers Joachim Stamm von der FDP.

Sie vermuten, dass eine Entscheidung über den Bau bereits gefallen ist. Wir kommen Sie zu der Annahme?                                                                                                                                                              In den bisherigen Haushalten waren bereits detaillierte Posten für den Ausreisegewahrsam veranschlagt. Auch der Landeshaushaltsplanentwurf 2023 führt die „Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige in Düsseldorf“ weiterhin mit 4.137.000 Euro Miete auf und setzt unverändert 1.308.000 Euro für Planstellen an. Lediglich ein Sperrvermerk verweist darauf, dass die Mittel noch zurückgehalten werden. Am 20. Dezember ist der Haushalt verabschiedet worden, er ist aber noch nicht öffentlich einsehbar.

Was sind ihre weiteren Schritte?                                                                                                                                                                                                                                                                          Wir klagen aktuell gegen die Ablehnung unserer Anfrage. Als Bündnis werden wir das Thema des geplanten Abschiebegewahrsams zudem weiterhin in die Öffentlichkeit bringen, mit Aktionen, Lesungen, Infoständen und Berichten in diversen Medien und auf unserer Website. Wir werden weitermachen, bis wir erreicht haben, dass dieser Ausreisegewahrsam nicht gebaut wird.

Britta Rabe arbeitet beim „Komitee für Grundrechte und Demokratie“ und ist eine der Sprecherinnen des Bündnisses „Abschiebungsgefängnis verhindern - in Düsseldorf und überall“                                                                                                                                                                                                                                                                                                abschiebegefaengnis-verhindern.de