22.02.1996

Abschiebehaft: Allein unter Männern

Transsexuelle Marokkanerin (28) beschäftigt auch das Innenministerium

Von Christel Schwiederski (Text und Foto)

Kreis Paderborn/Büren. „Ich kann nicht in meiner Heimat zurück, dort komme ich ins Gefängnis,“ sagt Hamid A. - seit Mitte Juli Abschiebehäftling in der Justizvollzugsanstalt Büren. Der Fall der Transsexuellen Marokkanerin beschäftigt inzwischen bis zum Innenministerium hinauf die Behörden in Nordrhein-Westfalen.

Hamid A. stellte im Februar 1994 ein Antrag auf Asyl. Dieser wurde abgelehnt, weil es, so das Gericht, keine grundsätzliche Gefährdung Transsexueller in islamischen Staaten gebe. Im Juli dieses Jahres wurde Hamid A., die laut marokkanischen Pass männlich ist, in Abschiebehaft genommen. Dagegen wollte sich die 28-jährige wehren: Sie schaltete den Petitionsausschuss des Landes Nordrhein-Westfalen ein, der die Erstellung eines fachärztlichen Gutachtens empfahl.

Demnach solle ein Psychiater beurteilen, ob sich Hamid A. nach Beginn einer Hormonbehandlung „unwiderruflich als Frau fühlt.“ In diesem Fall „ist aus dringenden humanitären Gründen eine Duldung zu erteilen, da eine Rückkehr in das Heimatland wegen der zu erwartenden Repressalien ausgeschlossen ist.“ Außerdem solle Hamid A. bis zur Erstellung des Gutachtens aus der Abschiebehaft entlassen werden da sie einen festen Wohnsitz habe und ihr Lebensgefährte für ihren Unterhalt aufkommen.

Doch es kam anders: Das zuständige Ausländeramt Krefeld folgte dieser Empfehlung bisher nicht, sondern beantragte stattdessen die Verlängerung der Abschiebehaft. Für die Rechtsanwältin von Hamid A., Brie Petra Drobbner-Müller, ist die Situation sehr ernst. „Es ist nur zu hoffen, dass das Innenministerium, dem jetzt der Fall vorgelegt wird, eine vorübergehende Duldung verfügt, bevor die Abschiebung erfolgt.“ Dann könnte man eventuell auch das gesamte Asylverfahren noch einmal aufrollen, da sich durch die Hormonbehandlung von Hamid A. die gesamte Ausgangslage verändert habe.

Reichlich ungewöhnlich war das Leben von Hamid A. bis dahin: Schon mit 16 Jahren musste sie selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen, weil sie wegen ihrer Transsexualität nicht mehr bei ihren Eltern leben konnte. Sie arbeitete als Friseuse und in Bars. Immer wieder wurde sie „als Transvestit“ von der Polizei in Marokko kontrolliert, festgenommen und auch ins Gefängnis gesteckt. Anfang der 90erJahre lernte die 28-jährige einen Deutschen kennen, der sie nach mehreren Besuchen- und nachdem er gesehen hatte, wie transsexuelle in Marokko behandelt werden nach Deutschland einlud.

Hamid A. kam nach Krefeld und stellte einen Asylantrag, der abgelehnt wurde. Transsexualität sei nur in Ausnahmefällen ein Asylgrund: wenn im Heimatland die Todesstrafe drohe. Aus Angst vor drohenden Schikanen und Gefängnis in Marokko blieb Hamid in Krefeld. Sie konnte bei ihrem deutschen Freund wohnen. Er verpflichtete sich auch eidesstattlich, sämtliche Kosten für ihren Unterhalt zu übernehmen. Zunächst ging alles gut, bis Hamid A. im Juli dieses Jahres in Dortmund in eine Schlägerei geriet und festgenommen wurde.

Seitdem sitzt sie in Abschiebehaft in Büren. Die Justizvollzugsanstalt dort beherbergt eigentlich nur männliche Gefangene, „aber wir sind auf Transsexuelle eingerichtet,“ sagt Peter Müller, der Leiter der Anstalt. Hamid ist in einem Extratrakt untergebracht, gemeinsame Aktivitäten mit den anderen Häftlingen sind für die weiblich aussehende Marokkanerin unmöglich. Sie beklagt sich nicht über die Haftbedingungen, leidet aber sehr darunter, dass ihre Hormonbehandlung im Gefängnis nicht fortgesetzt wird.

Sehr wichtig ist für sie, dass Regine Jäger vom Bürener Verein „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft“ sich um sie kümmert und sie auch bei ihren rechtlichen Bemühungen unterstützt. Hamid hofft sehr, dass der Innenminister entscheidet, dass sie vorübergehend geduldet wird. Dann würde sie aus der Haft entlassen, könnte ihre Hormonbehandlung fortsetzen und - was das wichtigste ist - noch einmal versuchen, Asyl zu bekommen. „Ich habe nur einen Wunsch: als Frau zu leben. In Marokko kann ich das nicht.“