22.12.1995

Schaukelfesselung menschenunwürdig

Die Arbeitsgemeinschaft „Hilfe für Menschen Abschiebehaft“ kritisiert die Einstellung des Strafverfahrens gegen Bedienstete der Justizvollzugsanstalt Büren wegen der „Schaukelfesselung“ eines Häftlings (WV vom 5. Dezember/dazu auch WV vom 15. Dezember). JVA-Leiter Möller hatte anschließend betont, dass diese Praxis seit anderthalb Jahren nicht mehr praktiziert werde.

Als Mitglieder des Vereins „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V.“ sehen wir unsere Aufgabe u. a. darin, einen kritischen Blick auf das, was in der JVA Büren geschieht, zu richten und Öffentlichkeit herzustellen. Wir verstehen uns als Interessenvertreter der dort inhaftierten Menschen. Eine Ärztin hatte 1994 Strafanzeige wegen Körperverletzung im Amt gegen den Leiter der JVA Büren erstattet. Den Verlauf des Ermittlungsverfahrens haben wir mit Interesse verfolgt und sind froh, dass durch die Anzeige ein Klärungsprozess ins Rollen gekommen ist. In der Strafanzeige wurde der Vorwurf erhoben, dass dem Abschiebegefängnis in Büren 1994 die sog. Schaukelfesselung - auch Krummschließen genannt - angewandt wurde. Zum besseren begreifen: Schaukelfesselung bedeutet dem Häftling werden die Hände auf den Rücken gefesselt, die Füße ebenfalls zusammengebunden und dann beide Fesseln, also Hand- und Fußfesseln, hinter dem Rücken zusammengeschlossen. Eine äußerst schmerzhafte und entwürdigende Form der „Fixierung“. Der Vorwurf, diese zum Beispiel Amnesty International, ächten die Schaukelfesselung als Folter. Es darf doch wohl nicht wahr sein, dass in deutschen Gefängnissen solche skandalösen Maßnahmen unter dem Deckmantel des „Eigenschutzes“ Einlass finden und seitens der Staatsanwaltschaft toleriert werden. Für sie wurde der Straftatbestand nicht erfüllt, weil alles zur „Eigensicherung des Häftlings“ geschah und die Fesselung „auf eine Viertelstunde beschränkt“ blieb. Nachdem auch ihnen vorliegenden Information ist der psychisch kranke Häftling mehrfach (in der Beruhigungszelle) so gefesselt worden, zuvor hatte man ihn entkleidet. Hier muss sich doch die Frage aufdrängen, ob dieses angemessen und mit der Würde des Menschen vereinbar ist. Gibt es auf psychische Ausnahmesituation keine anderen Antworten als Beruhigungsmittel, Beruhigungszelle und Fesselung? Wir haben für ihre Entscheidung kein Verständnis. Nach unseren Informationen ist nach Bekanntwerden der Vorfälle die Aufsichtsbehörde der JVA bzw. die Konferenz der Leiter der JVAs NRW da deutlicher geworden. Es erging die Weisung, dass Schaukelfesselung nicht mehr bzw. eigentlich nie hätten angewandt werden dürfen. Offenbar schenken diese Stellen den Bedenken der Menschenrechtsorganisation mehr Gehör.

In den Ausführungen der Staatsanwaltschaft, zumindest den in der Presse veröffentlichen, vermissen wir ihre grundsätzliche Kritik an der Schaukelfesselung, ihre Ablehnung und Ächtung, ferner ihren Hinweis auf Menschenrechte und Menschenwürde. Dieses irritiert uns sehr und lässt die Frage aufkommen, wessen Interessen hier vertreten wurden.

Regine Jäger Verein, „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft“,  Postfach 1451, 33131 Büren