29.09.1995

„Abschiebung in letzter Minute verhindert“

Flüchtlingsrat kritisiert „Sturheit eines kleinen Mannes in der Stadtverwaltung“

Paderborn (au). „Buchstäblich in letzter Minute“ konnte jetzt die vom Ausländeramt geplante Abschiebung des 35-jährigen Ijaz A. aus der Haftanstalt Büren nach Pakistan verhindert werden. Der „Flüchtlingsrat für den Kreis Paderborn“ sowie die deutsche Ehefrau des Pakistani hatten alle Hebel in Bewegung gesetzt, damit Ijaz A. in Paderborn bleiben kann. Die entscheidende Unterstützung kam letztlich von Siegfried Bartsch (Bündnis 90/Die Grünen), Mitglied im Petitionsausschuss des Landtages.

Der Flüchtlingsrat hatte Anfang Juli aus der Neuen Westfälischen erfahren, dass der Pakistani in der Haftanstalt Büren einsaß und in sein Heimatland abgeschoben werden sollte, da er als Asylsuchender rechtskräftig abgelehnt worden war. Der Pakistani ist jedoch seit Juni mit einer deutschen Frau aus Schloss Neuhaus verheiratet und hat ein gemeinsames Kind mit ihr. „Und in diesem Fall gilt normalerweise der Schutz der Familie“, erläutert Reinhard Menne vom Flüchtlingsrat.

Doch das sah in diesem Fall anders aus: Das Paar reiste nach Dänemark, um dort zu heiraten, weil für das deutsche Standesamt einige Dokumente fehlten, die nicht schnell genug beschafft werden konnten. Das „Problem“: „Die Ehe wurde zwar in Deutschland anerkannt, doch nach Ansicht eines Mitarbeiters des städtischen Ausländeramtes war Ijaz A. nach der Heirat illegal aus Dänemark nach Deutschland eingereist und befand sich damit illegal in Paderborn“, so Menne. Aus diesem Grund wurde er am 27. Juni in Büren inhaftiert. Menne: „Das Ausländeramt erklärte uns `Finden Sie ein Land, in dem sich Herr A., zur deutschen Botschaft begeben kann, um dort ein Einreisevisum für Deutschland zu bekommen. Dann lassen wir ihn frei`“.

Nach erfolglosen Versuchen seitens des Caritasverbandes und des Flüchtlingsrates in den Niederlanden, Luxemburg, Frankreich, Österreich und der Schweiz teilte die belgische Botschaft schließlich mit, dass sie bereit sei, aus humanitären Gründen ein Visum für zwei bis drei Tage auszustellen. „Nach Mitteilung an das Ausländeramt wurde dort sofort ein geplanter Abschiebeflug storniert“, so Menne. Doch dann lehnte die deutsche Botschaft in Brüssel die Erteilung eines Einreisevisums für A. ab und „darauf entschied das Ausländeramt, Herrn A. am 6. September abzuschieben“, erklärte Menne.

Das vom Flüchtlingsrat eingeschaltete Petitionsausschussmitglied Siegfried Martsch informierte schließlich die Vorsitzende des Petitionsausschusses des Bundestages und berief eine Referentenrunde im Außenministerium, um eine Visaerteilung in der deutschen Botschaft in Brüssel zu erwirken. „Am Vorabend der geplanten Abschiebung teilte Marsch dem Leiter des Paderborner Ordnungsamtes mit, dass „Herr A. am nächsten Morgen nicht abgeschoben wird“. Eine Woche später fuhr Ijaz A. nach Brüssel und reiste von dort aus wieder in Deutschland ein. Jetzt ist er im Besitz eines Drei-Monats-Visums. Nach Anerkennung der Vaterschaft der gemeinsamen Tochter Robina im kommenden Januar nächsten Jahres soll über die Verlängerung entschieden werden.

Der Fall zeigt deutlich, wie deutsche Verwaltungen mit ausländischen Mitbürgern umgehen“, betonte Reinhard Menne. „Dramatisch ist dabei vor allem, dass viele Fälle gar nicht an die Öffentlichkeit dringen“. Zudem seien durch die 80tägige Haft allein Kosten in Höhe von 15.000 Mark entstanden. „Neben der psychischen Belastung für die Familie wurden durch die Sturheit eines kleinen Mannes in der Paderborner Stadtverwaltung Arbeits- und finanzielle Belastungen der unterschiedlichsten Stellen ausgelöst“, kritisierte Menne.