07.06.1995

Caritas in „großer Sorge“

Deutliche Kritik an Abschiebepraxis

Büren/Paderborn (wv/AnS). Der Caritasverband für das Erzbistum Paderborn betrachtet die gegenwärtige Abschiebepraxis für abgelehnte Asylbewerber „mit großer Sorge“. Abschiebehaft werde zur Sicherung einer administrativen Maßnahme angeordnet und diene in 95 Prozent der Fälle nicht der Sanktionierung einer Straftat.

„Freiheitsentzug ohne Straftatbestand“ sei einem Rechtsstaat weder angemessen noch würdig. Die Wahrung des Grundgesetzes der Verhältnismäßigkeit durch einen derart einschneidenden Eingriff in die Freiheitsrechte des Einzelnen scheint dem Verband „keinesfalls gegeben. Zu Inhaftierung und Haftbedingungen habe man zum Teil erheblichen Defizite festgestellt: „Androhung von Abschiebehaft als Instrument der Abschreckung im behördlichen Umgang mit asylsuchenden Flüchtlingen, eine zu schnelle und häufige Inhaftierung, eine zum Teil unverhältnismäßig lange Haftdauer, auseinanderreißen von Familien, mangelnde medizinische und vor allem psychologische Versorgung der Abschiebehäftlinge“. Einstimmig hat der Caritasverband beschlossen, den Gesetzgeber aufzufordern, „seine durch Einrichtung von Abschiebegefängnissen übernommene Verantwortung für die Inhaftierten wahrzunehmen und die Rahmenbedingungen vor allem im Hinblick auf medizinische und psychologische Versorgung und psychologische Betreuung zu überprüfen und zu verbessern“. Darüber hinaus sei der freie Zugang von ehren- und hauptamtlichen qualifizierten Interessevertretern von Flüchtlingen zu gewährleisten, um die Situation der Abschiebehäftlinge erträglich zu gestalten und gegebenenfalls die Einhaltung menschenrechtskonformer Abschiebehaftbedingungen zu überprüfen.