21.04.1995

Haft dient nur der Erleichterung einer Verwaltungsmaßnahme

Forum der Leser

Betrifft: „Stiftungsmodell für psychosoziale Betreuung erreicht“, in der NW vom 19. April.

„Wider besseres Wissen“ bezeichnet Dieter Wendhoff, der Sprecher des NRW-Justizministeriums, die Kritik von Roland Appel als innenpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen an den Verhältnissen in der JVA Büren. Entweder kommt Herr Wendhoff wider besseres Wissen zu dieser Aussage oder er verhält sich nach dem Motto: „Augen zu, Ohren zu, Mund zu.“ Die Journalisten werden dann noch als Alibi für die Aussage von Manfred Schäfers angeführt, dass es in der JVA doch an nichts fehle. Wahrscheinlich ist die JVA ein Traumziel dieser Herren, an dem sie ihren nächsten Jahresurlaub verbringen möchten, da es hier doch an nichts fehlt.

Bündnis 90/Die Grünen wenden sich entschieden gegen die Existenz dieser Abschiebehaftanstalt. Diese entziehen den Menschen die Freiheit eines der höchsten Güter des Menschen. Die Haft dient lediglich der Erleichterung einer Verwaltungsmaßnahme der Behörde, nämlich der Abschiebung in einigen Punkten möchte ich im folgenden Stellung nehmen zu den Bedingungen in der JVA Büren:

  1. In der Haftanstalt bestehen nur sehr wenige Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten für die inhaftierten Menschen. Desweiteren verfügen sie über kein oder nur sehr wenig Taschengeld, um ihren Bedürfnissen nach Zigaretten oder anderen Dingen nachzukommen.
  2. Viele Asylbewerber können sich weder Hilfe durch einen Rechtsanwalt oder Dolmetscher leisten, da sie in der Regel über kein Geld verfügen. Hinzu kommt, dass die Asylverfahren bei vielen Menschen in der JVA rechtlich fragwürdig abgelaufen sind. Aus Unkenntnis und weil sie keine Beratung erhalten, können Sie Ihre rechtlichen Möglichkeiten nicht wahrnehmen und zum Beispiel fristgerechten Widerspruch gegen Bescheide einlegen.Durch den Einsatz der ehrenamtlichen Betreuerinnen des Vereins Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V. wurden seit Bestehen der Haftanstalt bis Oktober 94 allein 48 Häftlinge aus der Anstalt entlassen, da sie dort zu Unrecht eingesperrt waren.
  3. In den Abschiebehaftanstalt wurden zahlreiche Selbsttötungsversuche unternommen, da die Menschen die Ungewissheit über ihre Zukunft und die Angst vor Inhaftierung und Verfolgung bei Abschiebung in ihre Heimatländer nicht mehr ertragen können.
  4. Nicht wenige Menschen sitzen seit etwa einem Jahr in der JVA Büren, da gerade Länder wie Algerien, Indien und Ukraine sich weigern, ihre Landsleute wieder aufzunehmen. Gerichte verlängern die Abschiebehaft wiederholt über drei bis sechs Monate, obwohl kaum Möglichkeit besteht, dass die Menschen in absehbarer Zeit abgeschoben werden können.
  5. Wenn Menschen in Abschiebehaft aufgrund ihrer erheblichen psychischen Belastung in Angst und Panik geraten, aggressiv werden oder Selbsttötungsabsichten zeigen, werden sie „nur zu ihrem Schutz“ bis auf die Unterhose entkleidet und in einen Schlafanzug gesteckt.      “ An Händen und Füßen gefesselt   Anschließend kommen sie in die sogenannte Beruhigungszelle. Wer dann weiter randaliert, wird an den Händen gefesselt, die ganz Uneinsichtigen anschließend an den Füßen dazu. Nach Aussage der Anstaltsleitung und der Bediensteten geschieht dies natürlich alles nur zum Schutz der Menschen und zu ihrem Besten - versteht sich von selbst.

Da soll doch noch jemand behaupten, dass in der JVA Büren unmenschliche Haftbedingungen existieren.

 Annette Buchen-Ludwig, Kreistagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Andreasstraße 23, 33098 Paderborn