30.01.1995

Vor den Toren, aus dem Sinn

Betrifft: Artikel „Protest gegen Abschiebehaft“ in der NW-Ausgabe vom 28 Januar.

Äußerungen von Passanten am Rande: „Alles Wirtschaftsflüchtlinge“; „Sollen doch die, die da demonstrieren, jeder einen bei sich zu Hause aufnehmen“; „Alle in einen Sack und Knüppel drauf, da trifft man doch immer den richtigen.“

Wer von uns, der solche Sprüche tut, hat sich denn wirklich einmal mit den Menschen, um die es geht, auseinander- bzw. zusammengesetzt? Um wahre Fluchtursachen, Krieg, politische Verfolgung, Hungertod und Verelendung, darum kümmern wir uns nicht, das wollen wir auch nicht wissen, da müssen wir anfangen zu denken und kämen noch ins Grübeln.

“Angst geht um

Angst geht um, die Angst vor dem Fremden, die Angst, unsere Arbeitsplätze zu verlieren, die Angst, dass es uns „noch schlechter“ geht. Wir wollen unsere Steuergelder nicht ausgeben, um Flüchtlingen zu helfen; das ist jedoch in die Rüstung geht, die dieses Elend erst verschuldet, das ist uns egal.

Die Politiker gefallen sich darin, unsere Ängste zu schüren, um das Inkrafttreten neuer Gesetze zu legitimieren. Kanthers Stolz auf die verringerte Zahl der Asylbewerber zeigt jedoch nicht einmal den Ansatz einer Problemlösung. Vor den Toren, aus dem Sinn. Hauptsache, wir nicht, sollen doch die anderen... warum immer wir?

“Menschen gehalten wie Schwerverbrecher

Ich wünsche mir, dass es in Paderborn und Umgebung niemanden gibt, der sagt: Stöckerbusch, Abschiebehaftanstalt, was ist denn das? Was, da werden Menschen wie Schwerverbrecher gehalten, die nichts tun, als ihr Leben, dass ihrer Familie und ihrer Kinder vor Tod, Verfolgung, Hunger zu retten, das habe ich nicht gewusst.

Wir haben es bereits zugelassen, dass in unserem demokratischen Rechtsstaat, in dem in der Verfassung die Unantastbarkeit der Menschenwürde festgeschrieben wurde, Menschen unwürdig behandelt werden.

Annette Kolbe, Bleichstraße 36, 33102 Paderborn