Die deutsche Lösung der Migrationsfrage

Abschiebeknäste Teil II

Der Knast in Büren

Der Abschiebeknast in Büren ist beispielhaft für die Abschiebepolitik der BRD. Wie viele Gefangene sich zu Zeit genau dort befinden ist schwer zu sagen. Bei polnischen Staatsangehörigen wird zum Beispiel gewartet, bis es den Zuständigen „genug“ sind, um sie dann gemeinsam an die polnische Grenze zu verfrachten. So schwankt die Zahl der Inhaftierten stark. Die Fluktuation ist also sehr hoch. Etwa 250 Gefangene werden monatlich aus Büren abgeschoben, 20-30 entlassen. Auf der anderen Seite sind einige Gefangene Flüchtlinge schon weit über ein Jahr in Abschiebehaft. Einer der im April diesen Jahres verlegten Meuterer kannte den Knast in Büren so ziemlich von Anfang an. Etwa 300 Gefangene aus ca. 50 Staaten dürften in der Regel in Deutschlands größtem Abschiebeknast sein. NRW ist Spitzenreiter, was die Zahl der Abschiebehäftlinge betrifft. In Hessen sitzen insgesamt                            ca. 150 Menschen in Abschiebehaft.

Von den 33 Millionen DM, die sich die Landesregierung NRW den Umbau dieser ehemaligen Raketenstation kosten lässt, sind bisher etwa die Hälfte ausgegeben. Es wird also weitergebaut. Die Kapazität soll bis 1996 auf 600 Häftlingsplätze erweitert werden.

Täglich werden 30-40 staatliche Schließer von etwa 50 Privaten der Firma security service Köter unterstützt. Damit wird der Knast in Büren gleichzeitig zu einem Pilotprojekt von Teilprivatisierung bundesdeutscher Knäste. Die Firma security service Köter, mit Sitz in Essen, eines der größten sogenannten Security Unternehmen, verdient sich an diesem schmutzigen Geschäft eine goldene Nase. Geleitet wird das ganze durch einen gewissen Peter Möller, der durch seine wegweisenden Äußerungen dazu beiträgt, dass der Knast auch einmal ins Licht der Öffentlichkeit rückt, wenn nicht drinnen gemeutert oder davor demonstriert wird. Dieser Mann lässt sich zu Bemerkung hinreißen, wie: „Ein geliebter Kanarienvogel wird ja auch in einem Käfig eingesperrt und Häftlinge werden eingesperrt, damit sie nicht weglaufen“, oder auf die Frage eines CDUlers warum Kurden, die „unser“ Gastrecht missbrauchen nicht ohne Verfahren abgeschoben werden, „Meine Mutter versteht das auch nicht.“ Als Kenner unseres Landes tut er sich allerdings auch mit Erkenntnissen vor wie: „Ausländer sind hier bei uns auch isoliert, ohne dass Mauern drumherum sind“. Doch dieser Knastleiter ist kein Ausrutscher der Bürokratie, vielmehr sollen sie genau aus solchem Holz sein, die Herren, die den Ausländern zeigen, wo‘s lang geht. Wichtig allerdings dabei, die rechtsstaatliche bürokratische Korrektheit, die diesen Mann ebenfalls auszeichnet. Für die sogenannten überzogenen Maßnahmen wird dann vom Bund der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands (BSBD) oder von der Gewerkschaft Öffentliche Dienste Transport und Verkehr (ÖTV) der private Sicherungsdienst zuständig gemacht. Die SPD weist die Lösung: Die Ausnahmeregelungen für eine Verlängerung der Haftzeiten über sechs Monate hinaus aufheben, dann könnte das „private Personal“ eingespart werden. Das Anstaltsleiter Möller von den Folterungen gewusst und sie zumindest billigend in Kauf genommen hat, wird dabei verdrängt.

Die Diskussion, die sich um die Abschiebeknäste, nicht nur in Büren, ranken sind absurd. Sie sind verfangen in der Logik einer bürokratischen Verwaltung von Menschen, die per Gesetz nicht in dieses Land gehören. Unglaublich ist vor allem die Akzeptanz einer solchen Diskussion. So streiten sich wie selbstverständlich die Flughäfen Ahden (zwischen Büren und Paderborn) und Düsseldorf bereits darum, von wo die Abschiebeflieger starten sollen. Immerhin geht von Düsseldorf jede Woche zum Beispiel eine Maschine mit Abgeschobenen nach Bukarest. Diese Diskussionen stellen mehr dar als ein aus der Latenz hervorgetretenen Rassismus, ohne den sie sicherlich nicht möglich wären. In Büren wurde seitens der örtlichen CDU für die Variante Abschiebeknast gegenüber einem Sammellager geworben. Auf einer „Bürgerversammlung“, sprachen sich dann die überwiegende Mehrheit der anwesenden Bürger auch für den Knast aus, nicht zuletzt wegen der Arbeitsplätze, die mit diesem Knast verbunden wurden. „Wir haben sicherlich den besseren Teil erwischt. Eine geschlossene Anstalt bringt mehr Sicherheit für die Bevölkerung“, heißt es dann auch folgerichtig bei der örtlichen CDU, nachdem der Ort den Zuschlag bekommen hatte. Schon im Juni 1993 ein halbes Jahr bevor die ersten Häftlinge hier eingesperrt wurden, ließ der Landtagsabgeordnete Wächter verlauten: „Die Stadt Büren leistet einen wichtigen Beitrag zur Lösung des Asylproblems, was ihr mit einem dauerhaften Zuweisungsstopp für Asylbewerber honoriert werden sollte.“ Die Landesregierung verstand diesen Wink und honorierte entsprechen.

Die Beherrschung der Köpfe durch rassistische Ressentiments, die gnadenlose Verknüpfung von Lebenssinn und Wohlstand mit Erwerbsarbeit und der Glaube an die Notwendigkeit preußischer Bürokratenkorrektheit sind hier die Voraussetzung, dass die Fremden lieber hinter Betonmauern, Stacheldraht und Gittern gesehen werden, als dass sie sich, wenigstens am Ort, einigermaßen frei bewegen können. In Neuss waren die ersten Stimmen, die sich gegen den Knast erhoben, diejenigen, die Angst äußerten, dass der Knast Zuhälter anlocken könne.

Mitglieder des Vereins „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V.“, die Betreuungsarbeit im Knast leisten, wurden von ihren Nachbarn geschnitten und bekamen zum Teil Schwierigkeiten am Arbeitsplatz. Die Standortwahl für den Knast schien gut überlegt, seitens der Landesregierung. Auch die örtliche Presse war nicht mehr als ein Echo offizieller Verlautbarungen. Die erste Demonstration gegen den Knast, noch vor seiner Inbetriebnahme wurde belächelt. Obwohl die 40 Leute aus dem Umfeld des Infoladen Paderborn, die protestierten, die erste Demonstration in Büren seit über 25 Jahren darstellten. Doch der Widerstand der Häftlinge im Knast, die Arbeit des Vereins und die Demonstrationen gegen den Knast haben die Situation etwas geändert in Büren. Während sich bei der Demonstration im Mai 1994 kaum ein Bürener oder eine Bürenerin auf die Straße wagten, kam es am Rande der Demonstration im Mai diesen Jahres zu einigen Gesprächen. Bei mehr Einheimischen spielt es eine Rolle, dass dort im Stöckerbusch Menschen im Knast sitzen, die nichts verbrochen haben. Eine Tatsache, die bisher einfach verdrängt wurde. Bei weiten nicht, dass der Rassismus und Sexismus aus den Köpfen gewichen wäre, aber es kommt immerhin ein ungutes Gefühl hinzu. Ein Gefühl für die Ungerechtigkeiten die dort vor sich gehen. Auch die Tatsache, dass nach den 40 auf der ersten Demonstration im Mai 94 400 und in diesem Jahr 1600 Demonstrierende durch Büren zogen, zeigt die Möglichkeit, die besteht den Widerstand gegen die Abschiebeknäste zu verbreiten. Der Widerstand der Gefangenen, die soziale Unterstützung von Flüchtlingsgruppen und der politische Protest von außen müssen jedoch noch erheblich verstärkt werden auf, bis dass die Mauern fallen.

Cordula Gieffers/Tommy Schroedter