02.05.1994

Gefängnis Meuterei nach 15 Stunden beendet

Neun Algerier protestieren gegen lange Abschiebehaft

Leverkusen (dpa). Eine Meuterei von neuen Abschiebehäftlingen in einem Hafthaus in Leverkusen-Opladen ist gestern nach 15 Stunden ohne Blutvergießen beendet worden. Ein Sondereinsatzkommando der Polizei überwältigte die mit einer Eisenstange bewaffneten Asylbewerber aus Algerien auf dem Dach des Gebäudes. Noch am Sonntag wurden die Männer auf andere Haftanstalten verlegt. Auf sie warten nun Verfahren wegen Gefangenenmeuterei.

Die Häftlinge waren nach Angaben der Polizei am Samstagnachmittag nach einem Hofgang auf das Dach gestürmt und hatten damit gedroht, sich aus rund zwölf Metern Höhe in den Tod zu stürzen. Sie wollten ein Ende ihrer zum Teil schon monatelangen Abschiebehaft erreichen, aber auch nicht in ihrer Heimat zurück. „Sie wollten an die Grenze gebracht werden“, sagte der Einsatzleiter Hans-Joachim John.

Während des Tumults war es vier Algerien gelungen, auf noch unbekanntem Weg zu flüchten. Ein weiterer Häftling war beim Versuch, mit einem Bettlaken über die viereinhalb Meter hohe Mauer zu klettern, abgestürzt und hatte sich erheblich verletzt.

 Der Leverkusener Polizeipräsident Dieter Ehrhorn sprach gestern von einer „regelrechten Amoksituation“. Die Meuterer seien „hochemotionalisiert“ gewesen. Die neun Männer im Alter von 24 bis 36 Jahren hatten sich in einem Waschraum mit einer Eisenstange bewaffnet und sich auf das Dach begeben.

In dem von zurzeit 100 Abschiebehäftlingen belegten Hafthaus existierten nicht die strengen Sicherheitsvorkehrungen wie in Gefängnissen für Schwerkriminelle, hieß es.

In Nordrhein-Westfalen gibt es acht Abschiebeanstalten, in denen zurzeit - so das                           NRW-Justizministerium - 1200 Häftlinge einsitzen. Nach der Dachbesetzung seien sofort Sondereinsatzkräfte und die Verhandlungsgruppe der Polizei angefordert worden. Insgesamt waren 120 Polizisten im Einsatz.

Der Anstaltsleiter erklärt, die Strategie der Polizei „sei voll aufgegangen“. Klugerweise habe sich vom Wachpersonal niemand den Besetzern genähert. Somit sei eine etwaige Geiselnahme verhindert worden. Die Polizei habe die Gruppe zermürben wollen und nicht zuletzt auf die kühlen Nachttemperaturen gesetzt. Als sich die neuen Meuterer in der Morgenkälte unter eine Glaskuppel auf dem Dach zurückzogen, griff die Polizei zu.

Bereits vor einer Woche hatten in einem Abschiebegefängnis im ostwestfälischen Büren bei Paderborn zahlreiche Algerier rebelliert. Nach einem Hofgang hatten sich 50 bis 80 abgelehnte Asylbewerber geweigert, in das Gebäude zurückzukehren. Sie wollten damit gegen die lange Dauer ihrer Abschiebehaft protestieren.

Der Sprecher des NRW-Justizministeriums, Dieter Wendorff, hatte darauf hingewiesen, dass Algerien offenbar aus Angst vor muslimischen Fundamentalisten keine Abschiebehäftlingen aufnehme. Die Abschiebehaft kann deshalb bis zu eineinhalb Jahren dauern. Für einige stünden auch die Abflugtermine fest, sie wollten aber nicht zurück in ihr Heimatland, sagte eine Polizeisprecherin.