19.11.2011

Bleiberecht für Opfer gefordert

Briefe an die Lokalredaktion

Betrifft: Artikel „Türen auf für weibliche Häftlinge“ in der NW vom 15. November.

Seit letzten Montag sind auch Frauen in der Abschiebehaftanstalt Büren untergebracht. Die NW widmet dem einen längeren Artikel, der leider einiger Klarstellung bedarf: Zunächst einmal wird suggeriert, dass es sich bei den Häftlingen ausschließlich um Menschen handelt, die illegal nach Deutschland eingereist seien. Das stimmt in den meisten Fällen nicht. Wer Häftlinge in der JVA besucht begegnet, Menschen, die legal eingereist und zum Teil seit Jahren oder Jahrzehnten in Deutschland gelebt haben. Wir begegnen Studierenden, die die Regelstudienzeit überschritten haben, und Flüchtlingen, die eine Frist zur Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis oder Duldung versäumt haben und vielen anderen. Es handelt sich vorwiegend um Vergehen, für die ein Mensch mit deutschem Pass nie bestraft, geschweige denn inhaftiert werden könnte. Stellen Sie sich einmal vor, sie würden ihre Steuererklärung zu spät abgeben und müssen dafür in Haft. Abschiebehaft ist völlig unverhältnismäßig. Des Weiteren wird Herr Strohmeyer mit den Worten zitiert, Opfer von Zwangsprostitution bekämen in Deutschland ein Bleiberecht. Warum, Herr Strohmeyer, sitzen diese Frauen dann im Gefängnis? Hier kennt der Leiter der JVA Büren offenbar die Gesetzeslage nicht richtig oder täuscht die Öffentlichkeit bewusst. Frauen, die in Deutschland Opfer von Verbrechen zum Beispiel durch Menschenhandel geworden sind, erhalten nur in den wenigsten Fällen eine Aufenthaltserlaubnis. Diese ist an einem Prozess gegen die Täter gebunden und endet nach dessen Abschluss. Interessenverbände fordern schon seit Jahren ein bedingungsloses Bleiberecht für alle Opfer- bis jetzt ohne Erfolg. Zudem sind nur wenige der inhaftierten Frauen Opfer von Zwangsprostitution. Auch hier ist die Vielfalt an Lebenswegen deutlich größer, als das suggeriert wird. Andere belastende Fragen in Abschiebehaft sind die Trennung von den Angehörigen, die Ungewissheit und die drohende Abschiebung. Die machen auch der Kickertisch und die Einbauküche nicht wett, dass hier Menschen eingesperrt werden, die nichts hinter Gittern verloren haben. Die häufigsten Fragen, die Häftlinge in der JVA in der Beratungsstelle, lautet dementsprechend auch: Warum bin ich hier und wie komme ich so schnell wie möglich wieder raus? Fragen, auf die auch eine Beratungsstelle wie Nadeschda nur in den seltensten Fällen ein eine befriedigende Antwort geben kann. Auf den Kritikpunkt, dass Abschiebehaft in NRW nach wie vor viel zu häufig angeordnet wird, geht Herr Strohmeyer gar nicht erst ein. Schließlich hängt sein Arbeitsplatz ja auch daran. Zu ergänzen wäre noch, dass nach Erfahrung von Experten bis zu einem Drittel der Gefangenen selbst nach geltender Rechtslage zu Unrecht inhaftiert sind. Schuld ist oftmals die Unkenntnis über diese Rechtslage auf Seiten der Ausländerbehörden und der Richter, die in einem oft nur wenige Minuten dauernden Schnellverfahren über die Haft entscheiden - und fast nie gegen den Antrag der Ausländerbehörde. Abschiebehaft ist und gerecht und überflüssig. Sie gehört ersatzlos gestrichen, besser heute als morgen.

Tim Landauer Initiativeausbrechen c/o BDP-Infoladen 33098 Paderborn