Verein betreut Flüchtlinge im Abschiebegefängnis

Auszeichnung mit Aachener Friedenspreis – Von Holger Spierig

Büren (epd). Wenn Frank Gockel das größte deutsche Abschiebegefängnis besucht, wird er schon sehnsüchtig erwartet. Michael Konteh aus Sierra Leone will mit ihm sprechen, wie es für ihn weitergeht. Trotz Abschiebehaft im westfälischen Büren bei Paderborn konnte der 35-jährige vor zehn Tagen seine deutsche Freundin heiraten. Gockel brachte gemeinsam mit ihm eine Petition an die Düsseldorfer Landesregierung auf den Weg.

Dadurch konnten die bürokratischen Hemmnisse überwunden werden. „Ohne ihn wäre die Heirat nicht mehr zustande gekommen“, erzählt Konteh erleichtert. „Dafür sind meine Frau und ich ihm ewig dankbar“. So wie Frank Gockel versuchen auch die übrigen Mitglieder des Vereins „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren“ alle Möglichkeiten für die inhaftierten Menschen auszuschöpfen. Ihr jahrelanger Einsatz wird in diesem Jahr mit dem Aachener Friedenspreis gewürdigt.

Das Angebot der Helfer reicht von juristischer Beratung bis zu einem gemeinsamen Kaffeetrinken. Der Verein will zudem mit Lobbyarbeit und Aufklärung die Gefängnismauern transparenter machen. Manchmal helfen schon, sich Zeit zunehmen und zuzuhören, sagt Gockel, der auch beruflich in mehreren Flüchtlingsberatungsstellen arbeitet.

Das hält auch der evangelische Pfarrer Burkhard Schmidt, der als Seelsorger und Ansprechpartner in Büren arbeitet, für enorm wichtig. Das größte Problem der einsitzenden Menschen sei ihre Perspektivlosigkeit, klagt Schmidt. „Wie sich der Verein seit Jahren in aufopferungsvoller Weise für die Gefangenen einsetzt, ist bewundernswert.“ Mehr als 10.000 Menschen betreute der Verein seit seiner Gründung.

„Abschiebeknast“

Derzeit besucht ein Dutzend der 50 Vereinsmitglieder einmal pro Woche das Bürener Abschiebegefängnis - mit 560 Betten das größte seiner Art in Deutschland. Der Verein entstand 1994 unmittelbar nach der Einrichtung des „Abschiebeknasts“. Zwar habe sich seit Beginn manches in der Haftanstalt gebessert, räumt der Vereinsvorsitzende Gockel ein. Doch fast zwei Drittel der Haftbescheide, die er gelesen habe, seien fehlerhaft.

Der Verein kämpfe seit über zehn Jahren mit friedlichen Mitteln für die Abschaffung der Abschiebehaft, heißt es in der Begründung des Aachener Friedenspreises für die Auszeichnung. Ihm sei es zu verdanken, dass in dem Abschiebegefängnis Telefonzellen installiert wurden. Auch daran, dass sich jetzt die Gefangenen gegenseitig in den Zellen besuchen können, habe er maßgeblichen Anteil. Zurzeit setzt sich der Verein dafür ein, dass Kinder und Jugendliche, die in Abschiebehaft sitzen, Schulunterricht erhalten.

Auch von der Anstaltsleitung für die Arbeit geschätzt. „Die Preisvergabe freut uns“, sagt Leiter Volker Strohmeyer. Die ehrenamtlichen Helfer setzen sich mit Vehemenz für die Interessen der Menschen in Abschiebehaft ein. Es gebe allerdings hin und wieder auch Reibungen.

Flüchtlingsorganisation heben das menschliche und fachkundige Engagement hervor. Die ehrenamtlichen engagieren sich mit einem enormen Kraftaufwand für die betroffenen Menschen, sagt Volker Maria Hügel von der Härtefallkommission des Landes NRW. Bei der Arbeit müsse auch viel Frust verdaut werden, bescheinigt anerkennt auch Bernd Mesovic von Pro Asyl.

Nach Einschätzung des Flüchtlingsrats NRW wird die Arbeit des Vereins künftig noch wichtiger. „Auch nach dem Treffen der Innenminister vor wenigen Tagen geht die Abschiebepraxis mit unverminderter Härte weiter“, sagt Hans-Joachim Schwabe vom Vorstand des Flüchtlingsrats. Es wird damit gerechnet, dass bald auch Frauen, die bislang noch im Frauenabschiebegefängnis in Neuss untergebracht sind, nach Büren verlegt werden könnten. Dann wären alle Abschiebeflüchtlinge aus NRW in einer Einrichtung konzentriert.

Bei Gockel, der sich seit zehn Jahren in dem Verein engagiert, lösen die Besuche in Büren noch immer ein Wechselbad der Gefühle aus. „Wenn Menschen, mit denen man über eine lange Zeit Kontakt aufgebaut hat, dann doch abgeschoben werden, ist das frustrierend“, sagt er. Aber es gebe auch immer wieder Tage mit kleinen Erfolgen. „Dann freue ich mich zusammen mit den Leuten.“ Michael Konteh aus Sierra Leone könnte so ein kleiner Erfolg werden.

Das aktuelle Stichwort: Aachener Friedenspreis

Aachen (epd). Der Aachener Friedenspreis wird seit 1988 an Menschen verliehen, die sich an der Basis für Frieden und Völkerverständigung einsetzen. „Wir wollen sie ehren, wenn sie Frieden gestiftet haben durch Gerechtigkeitssinn, Menschlichkeit, durch Gewaltlosigkeit, Zivilcourage, Tatkraft, Sachlichkeit und Herz“, heißt in der Gründungserklärung. Erste Preisträger waren 1988 Superintendent Werner Sanß und Fahrerin Jutta Dahl, die mit Sitzblockaden vor NATO-Stützpunkten gegen die Nachrüstung protestierten.

Auch Pro Asyl, die Petersburger Soldatenmütter, die türkische Menschenrechtsanwältin Eren Keskin und Brecht-Tochter Hanne Hiob gehören zu den bereits geehrten. Der Aachener Friedenspreis wird getragen von mehr als 300 Einzelpersonen und über 50 verschiedenen kirchlichen, politischen, gewerkschaftlichen und gesellschaftlichen Gruppierung. Die symbolisch mit 1000 € dotierte Auszeichnung wird alljährlich am 1. September dem Antikriegstag verliehen.

Internet: www.aachener friedenspreis.de