17.01.2004

JVA setzt das Recht durch

Vor genau zehn Jahren kamen erste Flüchtlinge in die späte Abschiebehaftanstalt

Von Gabriele Fritz

Büren. Die ehemalige NATO-Kaserne in Büren ist heute ein Gefängnis. Umgeben von einer Betonmauer bietet die Justizvollzugsanstalt im Kreis Paderborn Platz für 530 Männer und männliche Jugendliche ab 16 Jahren. Keine Strafhaft verbüßen die derzeit rund 300 Inhaftierten aus über 50 Ländern. Sie müssen hier auf die Abschiebung in ihre Heimatländer warten.

Der Bürener „Abschiebeknast“ ist nach Angaben der Anstaltsleitung der größte seiner Art in Deutschland und zählt zu den größten Abschiebegefängnissen in Europa. In Büren wurden die ersten Ausländer vor genau zehn Jahren, am 17. Januar 1994 untergebracht.

Für die Mitglieder des 1994 gegründeten Vereins „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren“ ist dies ein trauriges Jubiläum. „Unser langfristiges Ziel ist die Abschaffung der Abschiebehaft - bis dahin bemühen wir uns um eine Verbesserung der Haftbedingungen“, sagt Vereinsvorsitzender Frank Gockel.

Zusammen mit weiteren elf Ehrenamtlichen besucht Gockel fast täglich die Bürener Gefangenen aus Ländern wie der Türkei, dem früheren Jugoslawien, Indien, Sri Lanka oder jungen Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Die Mitarbeiter des Vereins erklären ihnen, abgelehnten Asylbewerbern oder illegal Eingereisten, den Inhalt amtlicher Schreiben, helfen beim Abfassen von Briefen an Anwälte oder Behörden.

Der Leiter der JVA Büren, Peter Möller, begrüßt dieses Engagement. Die Besuche und intensiven Einzelgespräche schaffen Vertrauen und trügen zu einer entspannteren Stimmung unter den Männern bei, sagt Möller. Grundsätzlich jedoch stehe er als Leiter der Einrichtung hinter dem Konzept der Abschiebehaft. „Ich glaube, dass der Staat Sanktionen braucht, um die Rechtsprechung durchzusetzen.“

Paragraf 57 des Ausländergesetzes sieht vor, dass Ausländer zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft genommen werden können. Vor allem, wenn sich ein Flüchtling der Abschiebung entzogen hat oder Gefahr besteht, dass er dies tut.

Nach Angaben von Gockel, der auch Referent des Flüchtlingsrates NRW ist, liegt in vielen Fällen die „Schuld“ nicht allein bei den betroffenen Ausländern. Manche Länder würden die Ausstellung von Pass-Ersatzpapieren verzögern. Auch führten Versäumnisse juristischer Fristen oder fehlende Briefkästen bei Asyl-Unterkünften in vielen Fällen zur Inhaftierung. „Rund 90 Prozent der Bürener Gefangenen sind nicht straffällig geworden“, betont Gockel.

Die Unterbringung Minderjähriger in Abschiebehaft sorgt ebenfalls für Kontroversen. Zurzeit befinden sich nach Angaben der Anstaltsleitung neun Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren in Haft. Ein Erlass des NRW-Innenministeriums regelt das Mindestalter und empfiehlt, bei minderjährigen die Haftzeit möglichst kurz zu halten.

Für Kritiker ist fraglich, ob in einer Haftanstalt eine altersgemäße Unterbringung möglich ist. JVA-Leiter Möller verweist auf den eigenen Jugendbereich, den er vor einem Jahr für junge Männer bis 25 einrichtete. Dies sei einzigartig in NRW. Für zwei Stunden, eine Stunde mehr als Erwachsene, dürfen in Büren die Jugendlichen ihre Zellen zur Freizeitgestaltung verlassen. Dann können sie fernsehen, Tischfußball spielen, basteln, Deutschkurse und Gesprächsangebote besuchen. Drei Mitarbeiter von einem Privatunternehmen leisten psychosoziale Beratung.

Was die Anstaltsleitung als Errungenschaft bezeichnet, halten Kritiker wie der Hilfeverein um Gockel für nicht ausreichend. Der evangelische Seelsorger Burghart Schmidt, der an drei Tagen pro Woche Gespräche und Gottesdienste anbietet, würdigt das Bemühen der JVA-Leitung, die Haft „so menschlich wie möglich“ zu gestalten.

Gemeinsam mit JVA-Beamten hat der Pfarrer einen Verein gegründet, der Flüchtlinge mit kleinen Sach- und Geldspenden die Rückkehr in die Heimatländer erleichtert. Doch die Perspektivlosigkeit der Insassen erschreckt ihn: „Abschiebehaft ist menschlich höchst problematisch - mir bleibt nur, die Menschen auf ihrem schweren Weg bis zur Rückkehr zu begleiten.“