28.04.2020

Kritik an Quarantäne in Abschiebehaft

Wegen Verstoßes gegen Auflagen sind Flüchtlinge nun in Büren eingesperrt. Verein protestiert.

Sigrun Müller-Gerbes

Büren/Bielefeld. Wer massiv gegen Quarantäneauflagen verstößt, riskiert, eingesperrt zu werden. So rigide sind die Regeln im Infektionsschutzgesetz. Schließlich soll alles getan werden, die Weiterverbreitung des Virus zu stoppen. In Abschiebehaft allerdings landen Delinquenten nicht - es sei denn, sie sind Migranten.

Sechs Flüchtlinge sind vorige Woche vom Amtsgericht Bielefeld in die Abschiebehaftanstalt Büren eingewiesen worden, die seit 2015 offiziell „Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige“ heißt. Grund: Sie hatten laut Polizei in einer Erstaufnahmeeinrichtung, die wegen eines größeren Virus-Ausbruchs komplett unter Quarantäne steht, randaliert und zum Teil die Ausgangssperre ignoriert.

Bei vieren ist die Infektion noch nachweisbar, sie bleiben also vorerst in Büren, heißt es von der Bezirksregierung.

Wieso aber landen Menschen in einer Abschiebe-Einrichtung, wenn sie doch gar nicht „ausreisepflichtig“ sind, wie es im Amtsdeutsch heißt? Frank Gockel, Sprecher der „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren“, ist darüber empört. Es sei „rechtlich sehr bedenklich“ und „äußerst diskriminierend“, dass Flüchtlinge hier anders behandelt würden als andere Menschen. Schließlich unterscheide das Infektionsschutzgesetz nicht zwischen Menschen mit unterschiedlichem Aufenthaltsstatus. Auch Kerstin Terhardt, Fachanwältin für Migrationsrecht aus Bielefeld, hält die Unterbringung in der Abschiebehaftanstalt für fragwürdig. Das Infektionsschutzgesetz sehe für die Zwangs-Quarantäne eigentlich ein Krankenhaus oder eine „andere geeignete abgeschlossene Einrichtung“ vor. „Es ist aus meiner Sicht sehr fraglich, ob Büren dafür geeignet ist.“

Bei der Stadt Bielefeld bestreitet man eine Diskriminierung. Die Unterbringungsentscheidung sei „keine Frage der Nationalität“, versicherte Sprecherin Gisela Bockermann. Man habe lediglich sicherstellen müssen, dass die betreffenden „nicht weiter durch die Stadt laufen“. Für die sichere Unterbringung habe sich - in Absprache mit der Bezirksregierung - Büren eben besonders angeboten.

Das Büren für eine Quarantäne zumindest genug Platz hat, legt die derzeitige Belegung der ehemaligen JVA nahe: Von 175 Plätzen sind zurzeit nur drei belegt, dazu kommen nun die vier Männer aus Bielefeld. Auch das ein „Corona-Effekt“, wie es von der Bezirksregierung heißt: Derzeit schicken Ausländerämter fast keine neuen Ausreisepflichtigen mehr nach Büren.