24.07.2014

Wieder klatsche für deutsche Abschiebehaft

Urteil Auch der Bundesgerichtshof erklärt nun die Inhaftierung von Flüchtlingen für unzulässig

Berlin taz/Erst der europäische Gerichtshof, jetzt der Bundesgerichtshof: in einer am Mittwoch den Prozessbeteiligten zugestellten Entscheidung erklärt auch das oberste deutsche Zivilgericht weite Teile der deutschen Abschiebehaft für unzulässig. Vor einer Woche hatte der EuGH entschieden, dass Abschiebhäftlinge in Deutschland nicht mehr in normalen Strafvollzugsanstalten untergebracht werden dürfen. Nun weitet der BGH dies in seinem Beschluss, der der taz vorliegt, noch aus: Auch generell sei eine Inhaftierung allein wegen „Fluchtgefahr“ nicht mehr zulässig- bisher der häufigste Grund für Abschiebehaft. Der BGH begründet dies mit der seit Januar geltenden Dublin-III-Verordnung, in der für die Begründung einer Fluchtgefahr klarer,“ objektiv gesetzlich festgelegte Kriterien“ eingefordert werden. Die aber gibt es in Deutschland nicht. Geklagt hatte ein pakistanischer Flüchtling, der Ende Dezember in Haft genommen wurde und in sein vermeintliches Erst-Einreiseland und Ungarn abgeschoben werden sollte. Seiner Beschwerde gaben die Richter nun statt- und werteten diese grundsätzlich: Eine Inhaftierung allein wegen einer geplanten Überstellung in einen anderen EU- Staat sei „ausgeschlossen“. Nur eine konkret nachgewiesene „erhebliche Fluchtgefahr“ rechtfertige dies noch. Was diese begründe, müsse Deutschland in einem Gesetz festlegen und nicht, wie bisher, den jeweils zuständigen Richtern überlassen. Das Urteil bringt die Bundesregierung erneut in die Bredouille. Wie eine taz-Umfrage zeigte, setzten vier Bundesländer bereits das EuGH Urteil nicht um. Die Dimension des BGH-Beschlusses ist nun noch größer: Von den da derzeit knapp 100 Abschiebehäftlingen in Deutschland sind die meisten Dublin-Fälle. Die Linksfraktion sprach von einem „Paukenschlag“. Deren Innenexpertin Ulla Jelpke forderte, alle Abschiebehäftlinge „sofort“ freizulassen und zu entschädigen. Es sei ein „Desaster“, dass „vermutlich Tausende Flüchtlinge zu Unrecht eingesperrt“ wurden. Auch Rechtsanwalt Peter Fahlbusch, der in den letzten Jahren hunderte Abschiebegefangene vertrat, sprach von einem „Sargnagel“ für die Abschiebehaft in Deutschland. Soweit ist es noch nicht. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) arbeitet derzeit an einer Reform des Aufenthaltsgesetzes: Dort sollen genau die vom BGH geforderten Kriterien zu Fluchtgefahr stehen. Was bis dahin mit den zu Unrecht Inhaftierten passiert, beantwortete das Ministerium am Mittwoch nicht.

 Konrad Litschko