„Wie Verbrecher behandelt“

EU-Richter rügen die Unterbringung von Abschiebehäftlingen in deutschen Gefängnissen. Statt normalen Zellen müssen Sie in separaten Einrichtungen untergebracht werden

Von Wolfgang Janisch

Karlsruhe- Die Niederlage war vorhersehbar: Abschiebehäftlingen dürfen in Deutschland nicht mehr zusammen mit Strafgefangenen eingesperrt werden. Der europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat die bis vor kurzem in vielen Bundesländern verbreitete Praxis beanstandet. Grundsätzlich müssen Menschen, die allein zur Durchsetzung ihrer Ausreise in Haft genommen werden, in „speziellen Einrichtungen“ untergebracht werden- und zwar sogar dann, wenn sie selbst mit einer normalen Haftzelle einverstanden sein. Die EU- Rückführungsrichtlinie- deren Umsetzungsfrist bereits Ende 2010 abgelaufen war- garantiere „ohne Ausnahme“ eine Trennung der Abschiebehäftlinge von gewöhnlichen Strafgefangenen. Sachsen-Anhalt reagierte umgehend und ließ noch am Donnerstag acht Häftlinge frei. Das Urteil geht auf Klagen einer Syrerin, einer Vietnamesin und eines Marokkaners zurück, die gegen ihre Inhaftierung in normalen Justizvollzugsanstalten vorgegangen waren. Auch die deutschen Gerichte, allen voran der Bundesgerichtshof, hatten diese Praxis immer wieder beanstandet. Pro Asyl fordert nun die sofortige Freilassung solcher Häftlinge. Heiko Habbe vom Jesuitenflüchtlingsdienst kritisierte: „Viele Bundesländer haben europäische Vorgaben ignoriert und unschuldige wie Verbrecher behandelt.“ Das Gericht folgt damit dem Schlussantrag des Generalsanwalts Yves Bot. Er hatte Anfang Mai gefordert, dass nur in Notlagen auf normale Gefängnisse zurückgegriffen werden dürfe, beispielsweise dann, wenn die Kapazitäten der Abschiebe-Anstalten erschöpft sein. Wovon angesichts sinkender Zahlen keine Rede sein kann. Der Generalanwalt war noch davon ausgegangen, dass zehn Bundesländer die EU- Vorgaben verletzen. Im Vorgriff auf die absehbare Rüge aus Luxemburg haben einige Länder inzwischen reagiert. Seit Jahresanfang bringt Bayern die Abschiebehäftlinge in Mühldorf unter, Niedersachsen hat Langenhagen als separate Einrichtung installiert, Sachsen verlegt seine Häftlinge ins brandenburgische Eisenhüttenstadt. Mit Blick auf den deutschen Föderalismus hält es der EuGH zwar nicht für erforderlich, dass jedes Bundesland eine eigene Anstalt für Abschiebehäftlinge errichtet. Jedoch müssen die Bundesländer beispielsweise auch durch Kooperation eine separate Unterbringung sicherstellen.

Mehrere Bundesländer müssen nun ihren Umgang mit Flüchtlingen ändern

Entscheidend ist aus Sicht des Rechtsanwalts Herbert Fahlbusch, dass die Abschiebehäftlinge Hinter Gittern nicht unnötigen Einschränkung ausgesetzt sind. Sie müssten „ein normales Leben minus Freiheit“ führen können. Das heißt: Internetzugang, Handynutzung, offene Zellen, großzügige Besuchszeiten. „Denn diese Leute haben ja nichts verbrochen und fühlen sich ohnehin kriminalisiert“.“ Fahlbusch hat seit 2002 mehr als 900 Abschiebehäftlinge vertreten- darunter eine syrische Klägerin aus dem EuGH-Fall. Nach dem Urteil werden, so erwartet Fahlbusch, mehrere Bundesländer ihre Praxis ändern müssen. In Hessen seien noch am Tag vor dem Urteil Abschiebehäftlinge in einem normalen Gefängnis untergebracht gewesen. Es werde nicht genügen, Abschiebehäftlinge lediglich in einer separaten Abteilung innerhalb eines Gefängnisses unterzubringen. Nach diesem Modell wird derzeit beispielsweise in der Hamburger Justizvollzugsanstalt Billwerder verfahren. Allerdings verhandelt der Stadtstaat derzeit mit anderen Ländern über eine Kooperation ebenso tut das Sachsen-Anhalt. Baden-Württemberg das Abschiebehäftlinge bisher im Mannheimer Gefängnis untergebracht hat, ist da schon weiter: Es hat eine Zusammenarbeit mit Rheinland-Pfalz vereinbart, dass in Ingelheim eine-aus Fahlbuschs Sicht einigermaßen vorbildliche-Einrichtung hat.