01.11.2018

Neue Westfälische

Folter-Beobachter üben Kritik, die Behörden kontern

Das zuständige Landesministerium und die Bezirksregierung beziehen Stellung. Bürener Hilfeverein kritisiert die Einzelhaft von sogenannten Gefährdern, Detmold dementiert Fälle von Einzelhaft

Von Kristoffer Fillies

Kreis Paderborn. Ein Bericht der „Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter“ hat in der Bürener Abschiebehaftanstalt nach eigenen Angaben Missstände bei der Unterbringung von fast 140 Ausreisepflichtigen aufgedeckt. Das Landesministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat zu den Vorwürfen ebenso Stellung bezogen wie die Bezirksregierung. Einiges solle geändert werden, anderes rechtfertigt das Ministerium als rechtmäßig. Die Nationale Stelle hat die Stellungnahme jetzt veröffentlicht. Ein Bürener Hilfeverein kritisiert die Abschiebehaftanstalt massiv.

Die Nationale Stelle mit Hauptsitz in Wiesbadenist eine unabhängige Einrichtung, die aufgrund der Folterkonvention der Vereinten Nationen gegründet wurde und Orte untersucht, an denen Menschen durch staatliche Anordnung festgesetzt sind. Bereits im Januar besuchten Mitarbeiter die Abschiebeanstalt in Büren unangekündigt. Der im Juli veröffentlichte Bericht sieht unter anderem eine fehlende rechtliche Grundlage für Einzelhaft von als „Gefährder“ eingestuften Personen in der offiziell genannten „Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige“. Der Gefährderstatus sei keine Begründung für eine Einzelhaft, auch wenn Fluchtgefahr bestehe, schreibt die Nationale Stelle.

Landesministerim Widerspricht

Einschränkende Maßnahmen, wie eine Ausgangssperre sowie Einzelhaft seien nach ihrer Rechtsauffassung gesetzlich möglich, so das Landesministerium. Es werde bei jedem Fall wiederholt geprüft, welche Maßnahme nötig sei.

Außerdem kritisiert die Nationale Stelle Kameras, die unter anderem die Toiletten aufnehmen. „Der Intimbereich ist grundsätzlich zu schützen. Dazu gehört die unbeachtete Benutzung der Toilette.“ Das Landesministerium wolle die vorgeschlagene Lösung umsetzen und den Toilettenbereich auf den Kameras abkleben. Bisher fehle in der Abschiebehaftanstalt ein Psychologe. „Es muss sichergestellt sein, dass Hinweise auf körperliche oder seelische Traumatisierungen und psychische Erkrankungen erkannt werden, da sich diese in einer Haftsituation verstärken können“, schreibt die Nationale Stelle in ihrem Bericht. Das Landesministerium antwortet, dass sich der Einrichtungsarzt und eine beratende Psychologin um die Ausreisepflichtigen kümmere. Nach Auskunft der Detmolder Behörde werde noch in diesem Monat ein Psychologe die Arbeit aufnehmen.

Der Verein „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren“ kritisiert besonders die Einzelhaft in der Abschiebehaftanstalt seit langem und sieht sich mit dem Bericht bestätigt. „Insgesamt ist es ein niederschmetterndes Urteil, das die Nationale Stelle in ihrem Bericht über die Einrichtung trifft“, meint Vereinssprecher Frank Gockel. „Das Ministerium verspricht Änderungen.Wir fragen uns, warum nicht längst etwas passiert ist, denn die Vorwürfe sind nicht neu.“ Er fordert, dass die Aufarbeitung der Missstände von einer unabhängigen Stelle durchgeführt werden. „Möglich wäre ein Gremium aus unterschiedlichen Mitgliedern wie zum Beispiel Nicht-Regierungsorganisationen und dem Städte- und Gemeindebund.“

Ganz anders das Fazit der Bezirksregierung. Sie versichert, dass Einzelhaft nicht vollzogen werde. „Dies würde voraussetzen, dass die Untergebrachten keinerlei Kontakte zu anderen Untergebrachten, sondern ausschließlich zu Bediensteten hätten. Dies ist nicht der Fall: Personen, die eine hohe Gefahr für sich oder andere darstellen, können rechtlich zulässig auf Basis des Abschiebungshaftvollzugsgesetzes so untergebracht werden, dass sie nicht die gleichen Freiheiten genießen wie die übrigen Untergebrachten. Die Unterbringung erfolgt in solchen Fällen lediglich in einer eigenen Abteilung“, betont Detmold in seiner Stellungnahme und verweist darauf, dass sich die Situation in der Einrichtung seit 2017 „deutlich gewandelt“ habe: Demnach hätten die meisten Untergebrachten „eine strafrechtliche Vorgeschichte“. Es handele sich dabei auch um Gewalt-, Tötungs- und vor allem Drogendelikte. Für die Bezirksregierung sei die Kritik der Nationalen Stelle „nicht nachvollziehbar“.

 

Frank Gockel: Sprecher des Vereins „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft“.

FOTO: KARL FINKE