30.08.2011

Neue Westfälische

Strohmeyer: „Das Umfeld muss passen“

Skepsis bei der Justiz zum Einsatz von elektronischen Fußfesseln

Kreis Paderborn (my). An die virtuelle Leine nehmen will die Justiz verurteilte Straftäter mit einer elektronischen Fußfessel. Ab 2012 sollen die Delinquenten durch ein gemeinsames Technikzentrum der Bundesländer überwacht werden. Einen entsprechenden Staatsvertrag schlossen die Länder Hessen, Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen gestern in Wiesbaden. Anderen Länder werden später beitreten.

Das Technikzentrum soll Anfang 2012 in Bad Vilbel bei Frankfurt seine Arbeit aufnehmen. Es kann mehrere hundert ehemalige Straftäter kontrollieren. Bislang sind im Bundesgebiet nur drei dieser elektronischen Geräte im Einsatz, eins davon in Nordrhein-Westfalen.

Die Meinungen von Praktikern zu dem neuen Überwachungsgerät fallen sehr gemischt aus. „Für unser Klientel eignet sich dieses Instrument eigentlich gar nicht“, weiß Volker Strohmeyer, Leiter der Justizvollzugsanstalt Büren. Bei ihm sitzen neben den rund 110 Abschiebehäftlingen rund 200 Strafgefangene ein, die überwiegend Ersatz-Freiheitsstrafen verbüßen. Bei ihnen fehlen in der Regel der feste Wohnsitz oder Bares, um eine Geldstrafe bezahlen zu können. „Gerade bei dieser Gruppe ist es fraglich, ob das neues System etwas bringt“, so Strohmeyer. In der Bürener Anstalt gibt es Häftlinge mit mehr als 30 Hafteinträgen. „Die sind so zahlreich vorbestraft, dass da gar nichts mehr hilft außer einsperren“, so der Anstaltsleiter. Strohmeyers Fazit: „Elektronische Fußfesseln sind dann hilfreich, wenn das Umfeld stimmt.“

Auch bei der Justizvollzugsanstalt in Hövelhof treffen die Rahmenbedingungen nicht zu. Die Anstalt in der Senne besteht als Einrichtung des offenen Jugendstrafvollzuges bereits seit 1948. Angegliedert ist eine Pflegeabteilung für erwachsene Strafgefangene, die 1993 eröffnet worden ist.

Der offene Jugendstrafvollzug ist eine Vollzugsform, bei der „in geeigneten Fällen die Strafvollstreckung weitgehend in freien Formen“ durchgeführt wird, um eine straffreie Lebensführung zu erreichen, berichtet Heinrich Bröckling, der stellvertretende JVA-Leiter. Kennzeichen dieser Einrichtung ist, dass es keine Zäune, Mauern oder Gitter gibt und im Anstaltsbereich unter kontrollierten Bedingungen ein vertretbares Maß an Freizügigkeit gewährt wird.

Es werden nur Gefangene in den offenen Vollzug aufgenommen werden, die sich vor Strafantritt auf freiem Fuß befinden, die den besonderen Anforderungen des offenen Vollzuges genügen und bei denen eine Erprobung verantwortet werden kann, so Bröckling weiter – keine Chance für die elektronische Fußfessel. Die JVA Staumühle ist gut ausgelastet. Zurzeit sind dort 210 von insgesamt 230 Plätzen belegt. Das Durchschnittshalter der Insassen beträgt 23 Jahre.

Horst Rürup, Sprecher der Paderborner Staatsanwaltschaft, erklärte: „Forensische, praktische Erfahrungen mit der elektronischen Fußfessel liegen noch nicht vor, deshalb können wir dazu noch keinen Kommentar abgeben.“

Für die Paderborner Polizei, deren Arbeit nur zu einem kleinen Teil von der elektronischen Fußfessel berührt wird, erklärte Sprecher UIrich Krawinkel, durch die virtuelle Leine werde die polizeiliche Arbeit unterstützt, da die Fußfessel die Hemmschwelle der Täter erhöhe. Gleichwohl könne aber auch die beste elektronische Überwachung Rückfälle nicht ausschließen.